[NEOPOP] Vergleiche, Reflexe, Sanktionen: Abwägungen im Eifer des Gefechts

Ein kleiner, eiskalter Mann mit undurchschaubarem Ehrgeiz, dessen Namen man zur Abwechslung aussprechen konnte, Putin, löste den Säufer Jelzin ab und versprach, die Tschetschenen „notfalls auf dem Klo abzuknallen“. Mittlerweile blickte man nicht mehr mit Hoffnung oder Angst auf Russland, sondern nur noch mit Verzweiflung.

Annie Ernaux: Die JAHRE.

Übersicht

2. Anti-Putin-Proteste auf den Straßen und Plätzen
3. Begrenzt vergleichbar: Bosnien 1992 und Ukraine 2022
4. Pro-Putin-Demonstrationen in Serbien und Bosnien (RS)
5. Einspruch der Zivilgesellschaft des Westbalkans
6. Linke Russlandreflexe?
7. Für und wider Sanktionen und Strafmaßnahmen
8. Deutsche Lobbyisten und das russische Geld
9. Analoge Aufrüstung, digitale Entrüstung­

10. Weiterführende Links und Quellen

11. Fußnoten und Referenzen


1. Einleitung

Vor ein paar Tagen bin ich mit einer Freundin in einen unerwartet intensiven Austausch geraten, der vielleicht solchen Situationen zueigen ist – was auch immer solche Situationen sein sollten: etwa Weltkriegsvorabende? Sie äußerte, dass sie gerade selbst überhaupt nicht wisse, was man machen könnte oder sollte. Im Eifer des Gefechts habe sie außerdem das Gefühl, in einem Meer unterschiedlicher Informationen, Meinungen, Denkwege und dazu noch begrenzter Verständnismöglichkeiten unterzugehen (Russisch, Ukrainisch). Was soll man dazu sagen? Mir geht es natürlich ähnlich. Ich meine nicht die naheliegende Möglichkeit, sich an Soforthilfe für ukrainische Geflüchtete zu beteiligen, was jetzt sehr viele Freund:innen in Berlin und in ganz Europa tun und was ganz hervorragend ist (sieht man von den dokumentierten Abgründigkeiten gegenüber Marginalisierten, Frauen und Kindern ab).

Eine meiner Konsequenzen war, mich nicht mit diesem Zustand der Unübersichtlichkeit und des unsortierten Denkens abzufinden, während gleichzeitig so ungeheuerliche Dinge wie die Bewilligung eines „Sondervermögens“ von 100 Milliarden Euro für Aufrüstung geschehen. Es wäre falsch, nicht gerade jetzt noch genauer als sonst hinzuschauen, was auch in größeren Zusammenhängen seit Jahren am geschehen ist. Ich meine, dass es nun ebenso wichtig ist, zu verstehen: Die Umstände sind einfach zu epochal, als dass sie einen nichts angingen, oder als dass man sich allein dem — sehr wertvollen! — Spezialwissen anderer Osteuropa- und Russlandforscher:innen anvertrauen könnte, weil diese sich im russischsprachigen Raum besser auskennen.xi

Der Ukraine-Krieg ist auf den öffentlichen Plätzen unübersehbar, wie hier im Neuköllner Teil des Tempelhofer Felds in Berlin (10.3.2022). Bildquelle: Thomas Schad.

Es wäre aus vielen Gründen falsch, sich nicht auch selbst genauer mit den Hintergründen und Auswirkungen des Kriegs gegen die Ukraine auseinanderzusetzen. Einer dieser Gründe ist, dass die Auswirkungen weit in die kosmopolitisch verflochtene, „superdiverse“ Gesellschaft hineinreichen: schließlich leben in Deutschland sehr viele Ukrainer:innen und Russinnen/Russen (Russlanddeutsche, Russlandstämmige, Kontingentflüchtline aus der Ex-UdSSR, etc.). Damit steht die berechtigte Befürchtung im Raum, dass es auch innerhalb Deutschlands zu Polarisierungen und Konflikten kommen könnte.

Dies betrifft keineswegs nur größere Städte wie Berlin. Dort herrscht zwar große Diversität, aber auch große Anonymität. Wer im kleinen Rhönort Bad Brückenau an der bayerisch-hessischen Grenze hingegen an einem belebten Tag die Straße betritt oder einkaufen geht, wird mit allergrößter Wahrscheinlichkeit bald Rumänisch- und Russischsprecher:innen hören — und von letzteren kann freilich überhaupt nicht gewusst werden, wie sie zu Putin stehen. Ich halte mich dort oft auf, da meine Schwester und mein Neffe dort wohnen und mir auch Bilder und Artikel von den Friedensdemonstrationen und über die Hilfsaktionen zugeschickt haben. Wie in den Osthessen News vom 9.3.2022 berichtet wird, ist man sich der Gefahr der Stigmatisierung russlandstämmiger Mitbürger:innen dort bewusst:

Bad Brückenaus Bürgermeister machte aber auch deutlich, dass niemand Groll gegen russlandstämmige Mitbürger vor Ort sowie freiheits- und friedensliebende Menschen in Russland selbst hege. Die meisten würden durch Propaganda, Desinformationen und Unwissenheit nicht wirklich wissen, was tatsächlich in der Ukraine passiere, dass gegenwärtig die größte Flüchtlingswelle nach dem 2. Weltkrieg stattfindet.

Flagge zeigen gegen den Ukraine- Krieg: „Wir müssen alle zusammenstehen!“, in: Osthessen News vom 9.3.2022, URL: https://m.osthessen-news.de/beitrag.php?id=11667052 (zuletzt abgerufen am 9.3.2022).

Andererseits bilden gerade diese persönlichen Verbindungen nach Osteuropa die Grundlage von Solidarität: wie in einem anderen Artikel über den Ort Bad Brückenau in der Online-Zeitung In Franken berichtet wird, seien Fahrer und Geflüchtete eines Hilfskonvois in der evangelischen Friedenskirche des befreundeten Pfarrers Gerd Kirchner (die ihrem Namen jetzt ganz gerecht wird) mit dem traditionellen Gericht Borschtsch aus dem osteuropäischen Raum empfangen worden:

Die Idee dazu hatte die Mutter von Valerie Wagner. Deren Familie stammt aus Kasachstan und hat eine Cousine, die in Süd-Donezk mit ihren beiden Kindern in einem Keller ausharrt. „Es ist schwierig, mit ihr zu kommunizieren“, sagt Wagner. „Es gibt keinen Strom, kein Essen, kein Wasser.“

„Jede und jeder kann helfen“: Weitere Hilfstransporte aus Bad Brückenau geplant, in: In Franken vom 8.3.2022, URL: https://www.infranken.de/lk/bad-kissingen/bad-brueckenau/jede-und-jeder-kann-helfen-weitere-hilfstransporte-aus-bad-brueckenau-geplant-art-5407198 (zuletzt abgerufen am 9.3.2022).

Ich will eigentlich immer noch auf die enorm wichtige Diskussion über selektive Solidarität hinaus, die eng mit Meinungsproduktion, Desinformationskampagnen, Propaganda, Whataboutismus und identitären Diskursen zusammenhängt. Seit Jahren studiere ich dies an anderen Beispielen, die sehr enge Schnittmengen zum Spannungsfeld der grenzübergreifenden, medialisierten Öffentlichkeit zwischen Deutschland und Russland aufweisen — nämlich am Beispiel des AKP-Regimes in der Türkei und seiner meinungsproduzierenden Tätigkeiten im Ausland. Dazu habe ich in meiner Dissertation über die Wende öffentlicher Meinungen zwischen dem Westbalkan und der Türkei gearbeitet, aber auch in einer längeren Studie über Illiberale Städtediplomatie zwischen AKP-Kommunen in der Türkei und bosnischen Gemeinden.

In Europa wurde gerade beschlossen, die russischen Propagandakanäle Russia Today (RT) und Sputnik zu schließen, weil sie zur Destabilisierung auch innerhalb Europas (und Deutschlands) beitrügen. Dies betrifft nicht nur die „Ostdeutschlanddebatte“ und die AfD-Nähe zum Putin-Regime, sondern beinhaltet auch eine direkte oder indirekte Befürchtung (oder Unterstellung?), russlandstämmige Deutsche bzw. Immigrant:innen aus russischsprachigen Ländern würden durch die russischen Staatsmedien gezielt mobilisiert und manipuliert und stellten gewissermaßen eine „Problemgruppe“ dar; den restlichen Weg zum Stigma kann sich jede:r selbst denken.

Ganz ähnliche Debatten (wenn auch ohne vergleichbare Verbotsmaßnahmen) sind während der anti-europäischen Hetzkampagnen des AKP-Regimes 2017 entstanden: Was sagt es über die Integration der Deutschtürken aus, wenn zwei Drittel für Erdoğans Selbstermächtigung gestimmt haben?, fragte etwa Jörg Lau in der Zeit 2017, nachdem Erdoğan Deutschland und die Niederlande als Nazis beschimpft hatte, wobei man letztere auch „als Mörder aus Srebrenica kenne“. Auffällig ist außerdem an beiden Beispielen, dass ihre Wortführer je einen Genozid instrumentalisieren und darüber versuchen, sich politische Zustimmung zu verschaffen — und zwar nicht nur im Land ihres Elektorats, sondern über Grenzen hinweg. Ich denke, es ist nun klar, dass in solcherlei rhetorischer Mobilmachungen Sprengkraft steckt, und dass es verharmlosend wäre, ständig zu wiederholen, dass eine liberale Demokratie so etwas aushalten muss. Es stellt sich wohl eher die Frage: hält sie das aus? Welche demonstrierte Medienkompetenz untermauert eine solche Annahme denn — und wurde genügend dafür getan?

Ich befürchte, dass diese Problematik im Trommelfeuer von Informationen, starken Emotionen, Adhoc-Reaktionen und -Entscheidungen untergehen könnte. Deswegen habe ich mir vorgenommen, in diesem Beitrag zunächst einige der wichtigsten Diskussionsstränge des aktuellen Diskurses zu sortieren und zu kontextualisieren, die mir helfen werden, meine Haupt(hypo-)these zu untermauern. Diese formuliere ich vorläufig so:

Selektive Solidarität, die über die Online Werbeplattformen in unterschiedlicher Gestalt millionenfach immer wieder produziert und propelliert wird, stellt nicht nur eines der zentralen Symptome der hybriden Kriegsführung zwischen Putin, der Ukraine und dem imaginären „Westen“ dar, sondern ist das Ergebnis des Nicht-Verstehens, der Ignoranz und des Gewährenlassens grenzübergreifender, polarisierender und illiberaler Neopopulisten, von denen Putin „nur“ ein Vertreter ist. Diese asymmetrische hybride Kriegsführung verläuft nicht nur zwischen militärisch und ökonomisch unterschiedlich ausgestatteten Regimen, sondern nutzt über ‚Cyber Warfare‘ und ‚Opinion Engineering‘ auch das Gefälle zwischen digital bewehrten, alphabetisierten und „mündigen“ Akteur:innen einerseits, und digital (semi-)analphabetischen, unvorbereiteten und manipulierbaren Akteur:innen andererseits. 

Der Zweck dieser Sammlung von Diskussionssträngen des gegenwärtigen Kriegsdiskurses ist in erster Linie, für mich selbst ein paar wichtige Argumente zu sortieren, bevor ich mich meiner eigentlichen Materie zuwenden kann, die auch den Weg zu dieser Situation bereitet hat. Und nebenbei bemerkt: ich kann es immer noch nicht fassen, dass ich das Wort Kriegsdiskurs schreibe, und damit tatsächlich einen großen europäischen Landkrieg mit Potenzial zum Weltkrieg meine, welcher also die Dimension der Jugoslawienkriege der 1990er bei weitem übersteigt. Ich schreibe „ein paar“ Argumente, weil ich es weder schaffen werde noch das Anliegen verfolge, alles über den Kriegsdiskurs festzuhalten.

Worauf ich zum Beispiel im Moment nicht ausführlich eingehen kann, ist die Thematik der Kriegflüchtlinge. Diese dringende Thematik ist natürlich andererseits ein Paradebeispiel für praktische Solidarität, Solidaritätsbekundungen und, leider, auch selektive Solidarität, unterlassene Solidarität und Desinformationskampagnen. Vielleicht ist es ein Fehler, gerade dieses Feld nicht hier schon ausführlich zu betrachten: Man muss bedenken, dass das Schicksal Geflüchteter schon sehr oft instrumentalisierter Gegenstand neopopulistischer Meinungsschlachten war. Man denke nur an die Bilder von der sogenannten Balkanroute ab 2015; an die teilweise inszenierte, türkisch-griechische Bilderschlacht vom März 2020; oder an die gezielt hergestellte, belarussische (und wahrscheinlich russische) Provokation einer „Flüchtlingskrise“ an der EU-Außengrenze im vergangenen Winter; und natürlich an die sehr realen, menschlichen Katastrophen, die sich täglich im Mittelmeer und auf den übrigen Abschnitten der Fluchtrouten abspielen. Dort fanden bereits unzählige Menschen ihren Tod und hätten unsere Solidarität unbedingt verdient. Ich habe über diesen auf mehreren Ebenen abgründigen Zusammenhang bereits mehrfach geschrieben (hier und in den Traurigen Tropen der Balkanroute), und ich werde diese Thematik auch im nächsten Beitrag wieder aufnehmen.

Ebensowenig ausführlich wird es hier um das Thema der Aufrüstung gehen, das zwar im letzten Abschnitt unter der Überschrift Analoge Aufrüstung, digitale Entrüstung angesprochen wird, aber dermaßen komplex ist, dass dafür eine eigene, ausführliche Erörterung notwendig ist. Meine Auswahl von Diskussionssträngen, die mich zur Diskussion selektiver Solidarität führen soll, ist in sich selektiv: sie spiegelt Themen wieder, mit denen ich mich auch ansonsten beschäftige: mit grenzübergreifenden Vergleichen, Möglichkeiten und Grenzen von Soft Power, dem Wirken neuer Medien und Öffentlicher Diplomatie — und mit Geschichtsrevisionismus.

Dies betrifft vor allem die Thematik der Sanktionen. Sanktionen werden, wie militärische Interventionen, zur Hard Power gerechnet; trotzdem bilden sie auch einen Übergangsbereich zwischen Hard Power und Soft Power – und zwar insbesondere, wenn es um die Frage kultureller Sendung und die Rolle Neuer Medien geht. Der Bereich der hybriden Kriegsführung – die Umair Haque im gegenwärtigen Beispiel der russischen Kriegsführung (wenn auch ausgesprochen einseitig) als sehr zentral beschreibt – wird meiner Meinung nach nicht zu Genüge beachtet und ernstgenommen.1 Dabei wird nicht differenziert genug zwischen Kultur und kulturell verbrämter Hetze, zwischen Medien und Propaganda, zwischen Meinungsbildung und Meinungsproduktion unterschieden, wie sie etwa durch „skillful entrepreneurs of identity“ und „opinion technicians“ vorgenommen wird, was Zafer Yılmaz am Beispiel des neo-populistischen, pop-islamistischen Regimes der AKP in der Türkei beschrieben hat (Anm.: „Pop-islamistisch“ ist meine Formulierung, die anderweitig meines Wissens ungebräuchlich ist).2

2. Anti-Putin Proteste auf den Straßen und Plätzen

Ich komme zuerst zum sichtbarsten und greifbarsten aller Eindrücke von Solidarität und Protest: dem Protesten auf den Straßen und Plätzen. Zumindest in meinem Wahrnehmungsradius, dessen Zentrum momentan in Berlin liegt und sich über direkte und mediale Kontakte auch auf den Balkan und in die Türkei erstreckt, finden überall hauptsächlich pro-ukrainische, anti-Putin-Demonstrationen in der Öffentlichkeit statt. Ich muss nicht erneut und im Einzelnen an die Zahlen und Bilder der europäischen Städte erinnern, die im Moment allen noch sehr präsent sind (und ich komme gleich noch auf die äußerst wichtige Ausnahme Serbiens sowie der begrenzten Vergleichbarkeit der Jugoslawienkriege der 1990er Jahre zurück).

Zum Protest auf den Straßen ist festzustellen, dass damit nicht nur, wie üblicherweise, die Straßen einer bestimmten Ortschaft zu verstehen sind, auf denen protestiert wird, sondern auch die Straßen zwischen London und Przemyśl: es ist als kombinierte Form von Solidarität und Protest zu verstehen, wenn zum Beispiel ein Bekannter aus meinem Herkunftslandkreis Haßberge, der als Fahrer bei einer Spedition arbeitet, mit mehreren LKWs zum Helfen nach Polen aufgebrochen ist; oder wenn zahlreiche Bekannte privat organisierte Hilfstransport und Shuttles für Geflüchtete anbieten, die sich zum Beispiel über Facebook-Seiten wie Taxiservice for Peace auf mehreren Sprachen organisieren und gleichzeitig sichtbar machen.  

Ich stehe noch immer unter dem Eindruck unserer Januar-Veranstaltung zum Thema Hat Europa weggeschaut? Solidarität mit Bosnien-Herzegowina 1992-1995, wo es um fast vergessene, spontane Solidaritätsaktionen und Bündnisse wie International Workers Aid (genauer dazu bei Nicolas Moll: Solidarity is more than a slogan), Schüler Helfen Leben und andere ging. Diese haben damals für ganz ähnliche Bilder gesorgt, wodurch deutliche Parallelen zu den 1990er Jahren und den jugoslawischen Zerfallskriegen erkennbar sind — und besonders zum Bosnienkrieg.

Bildquelle: Aufnahme von Thomas Proctor, bereitgestellt durch Nicolas Moll. Coverbild des Buchs Solidarity is more than a slogan.

Neben der Kontextualisierung mit dem Westbalkan gibt es noch weitere Ansätze, historische und geopolitische Vergleiche zu ziehen. Zum Beispiel hat Grigori Judin auf dem (inzwischen geschlossenen?) russischen Portal Meduza vorgeschlagen, Parallelen am ehesten in den Jahren 1938 und 1939 zu suchen: als Nazideutschland zunächst weitgehend unbehelligt Österreich seinem Territorium „anschloss“, zwischen 1938 und 1939 die Tschechoslowakei zerschlug, um schließlich mit dem Überfall auf Polen den Zweiten Weltkrieg auszulösen; auch das Nazi-Regime begründete bekanntlich den Überfall damit, dass „zurückgeschossen“ werde — während Putin, seines Zeichens selbst ein Faschist, in seinen gleichgeschalteten Medien unverschämterweise davon kündet, die Ukraine „denazifizieren“ und vor „Genozid“ bewahren zu wollen.3

Der Vergleich zur Rolle Nazideutschlands als kriegstreibende und allein verantwortliche Kraft drängt sich auch insofern auf, als Putin selbst in einer Brandrede dem Westen gedroht hatte, zu Mitteln zu greifen, welche die Welt „noch nie gesehen hat“: eine unmittelbare Drohung mit der Möglichkeit des Dritten Weltkrieges, der ein nuklearer Krieg wäre, wenn wirklich alle Register gezogen würden. Dies ist die Schwelle, ab der es definitiv falsche Ausgewogenheit oder Bothsidesism wäre, die Verantwortung für den Kriegsausbruch „eigentlich“ oder „ebenso“ bei der NATO suchen zu wollen. Was natürlich nicht heißt, dass dieses Thema jetzt auszublenden wäre.

Andere Vergleichs- und Referenzmöglichkeiten der momentanen Debatte bieten internationale Fälle von Sanktionen (oder Sanktionsforderungen), sowie die immer wieder aufkommenden Vergleiche zu Südafrika, Iran, Irak, Kuba, Venezuela, Israel und anderen Staaten. Diesen Punkt werde ich weiter unten (7. Für und wider Sanktionen und Strafmaßnahmen) vertiefen.

Weil ich hier nicht auf alle Diskussionsstränge und Argumente eingehen kann, will ich neben den diversen Facebook-Seiten, Twitter-Threads und -Hashtags, über die unterschiedliches Wissen zusammengetragen wird, sowie natürlich den internationalen Nachrichtenseiten, Mediatheken und Podcasts folgende Quellen empfehlen: ganz besonders wichtig finde ich die Seite Дekóder. Auf diesem mehrfach ausgezeichneten Portal kommen aus dem Russischen (ins Deutsche) übersetzte Stimmen kritischer und dissidentischer Journalisten zu Wort, die in Russland gesilenced werden. Daneben finden sich historische Informationsmaterialien zu Russland, zur Ukraine, zu Belarus und zum weiteren Kontext auch auf der Seite H-Soz-Kult. In der allerersten Stunde des Krieges bin ich dank eines öffentlichen Posts eines Kollegen aus Sarajevo außerdem auf die Seite von Mischa Gabowitsch gestoßen, wo der Historiker und Soziologe nicht nur sehr schnell eine Liste mit Dingen veröffentlicht hat, die jetzt jede:r tun kann, sondern auch zahlreiche Links zu anderen öffentlichen Erklärungen, Solidaritätsbündnissen, Spendemöglichkeiten u.v.m. Worauf ich weiterhin nicht im Einzelnen eingehen kann, sind Solidaritätsportale und Seiten, die insbesondere auf die Lage marginalisierter Menschen wie LGBTQ, Transgender und BiPoC (Schwarzer und rassifizierter Menschen) hinweisen; aber es ist wichtig, zu sehen, dass es diese Fälle zahlreich gibt, und dass dank der Bemühungen solidarischer Netzwerke auch die marginalisiertesten Gruppen nicht unsichtbar bleiben: darunter Geflüchtete aus Afghanistan, Studierende aus afrikanischen Staaten und andere unterprivilegierte Gruppen (ich verlinke hier nicht zu den diversen Facebook-Seiten, die Interessierte schnell finden werden).

3. Begrenzt vergleichbar: Bosnien 1992 und Ukraine 2022

Ich komme zu den bereits angerissenen Vergleichen zu den 1990er Jahren in Südosteuropa. Was ich allein schon aus Historikerperspektive für besonders bemerkenswert halte, ist die Schnelligkeit, mit der grenzübergreifende Vergleiche zu zurückliegenden, anderen Kriegen und Konflikten gezogen wurden. Ich weiß, dass viele Freund:innen aus Bosnien-Herzegowina dies aus persönlichen Gründen nicht so gerne hören wollen: aber viele der Äußerungen, die sich auf die Formel „Wir haben damals genau dasselbe erlebt“ herunterbrechen lassen, sind auf der Ebene außerhalb des eigenen Erlebens des Krieges — Bombardierung, Beschuss, Belagerung, Entbehrungen aller Art, Verluste usw. — eher fragwürdig oder sogar faktisch falsch. Ich will damit natürlich das nachempfinden Können und die Empathie auf der Grundlage eigener Kriegserlebnisse nicht kleinreden oder gar geringschätzen: in keinster Weise. Dies ist natürlich eine Perspektive, die ich selbst gar nicht einnehmen kann und darüber hinaus für wertvoll halte — insofern nämlich ihr Ergebnis mehr Solidarität bedeutet. Trotzdem handelt es sich bei beiden Kriegen nicht nur um einen ganz anderen Zeitraum, sondern auch um eine völlig andere Dimension geopolitischer Brisanz – besonders durch die Nuklearwaffendrohung Putins, sowie die Existenz von 15 Atomkraftwerken auf dem Kriegsboden. Das bedeutet auch, dass die Frage der Intervention von außen eine ganz andere ist.

Völlig unterschiedlich ist auch das historische Zeitfenster. Während heute ganz plötzlich das Wort Zeitenwende im Raum stand – und meiner Meinung nach sollten wir seit Jahren von einer Wende reden – war bei Ausbruch des Krieges in Kroatien (1991) und Bosnien-Herzegowina (1992) schon seit einigen Jahren das Wort ‚Wende‘ in aller Munde, nämlich seit Glasnost und Perestroika in der Sowjetunion der 1980er Jahre: bestens illustriert das der Erfolg des Pop-Songs Wind of Change von den Scorpions, der 1989 komponiert und 1991 veröffentlicht wurde; er brach für deutsche Produktionen alle Rekorde.4 Was außerdem in diesen einfachen Vergleichen oft vollkommen ausgeblendet wird, ist, dass zwischen den 1990er Jahren und heute nichts geringeres als eine technologische Revolution liegt — nämlich die Digitale Revolution, die eine Wende suis generis ist. Seit den ersten E-Mails, die z.B. in den Solidaritätsaktionen der 1990er noch keine Rolle spielten, hat die Revolution mehrere Internet-Generationen durchlebt und darüber ganz neue Kommunikationsmöglichkeiten und Öffentlichkeiten erzeugt. Darin inbegriffen sind Kanäle und Volumina öffentlicher Entrüstung, die es vorher in vergleichbarer Form schlichtweg noch nie gab.

Oft ist zudem in Vergleichen zwischen den 1990ern auf dem Balkan und im Rest Europas von einer Internationalen Gemeinschaft oder von Europa zu lesen – als gäbe es diese Einheiten überhaupt als monolithische Blöcke, etwa als angebliche humanistische Wertegemeinschaft, die im regionalen, südosteuropäischen Kontext zuallermeist als eindeutig westlich dominiert und grundsätzlich freiheitlich orientiert gilt. Dies hat nicht nur mit der Selbstverortung in Europa zu tun, sondern auch damit, dass das Office of the High Representative (OHR) der Internationalen Gemeinschaft eindeutig europäisch und US-amerikanisch dominiert ist, und natürlich damit, dass europäische und US-amerikanische Sprecher:innen immer wieder die Rede von Rechten und Menschenrechten mit ihrem geographischen Platz in der Welt in Verbindung bringen.

Zweitens suggeriert die Figur einer stets heuchlerischen, verlogenen internationalen Wertegemeinschaft oder Europas – eine auch bei Putin, Erdoğan und anderen illiberalen Neo-Populisten äußerst beliebte Figur – dass diese Figur seit Jahrzehnten im Kern immer identisch geblieben sei, und dass der Westen – wie auch immer er imaginiert wird – nach wie vor so unumstößlich und unhinterfragt attraktiv für den Rest der Welt zu sein habe, wie es beispielsweise im Song Go West der Pet Shop Boys von 1993 (auf m.E. recht geschmacklose Weise) zelebriert wurde. Aus diesem Widerspruch von Attraktivität und Verlogenheit resultiert das Schablonenhafte, das auch heute oft hinter dem Diskurs hervorscheint, wenn gefordert wird: Beendet den Krieg! Lasst die Ukraine nicht im Stich, so wie ihr BiH im Stich gelassen habt (Zaustavite rat! Ne napuštajte Ukrajinu kao što ste napustili BiH) — wie auf dem unten abgebildeten Demonstrationsschild aus Sarajevo:

Bildquelle: Nicolas Moll, freundlich zur Verfügung gestellt.

Die südosteuropäische Europa-Fixierung in der Vorstellung einer (angeblichen) Internationalen Gemeinschaft, die eigentlich sofort einzugreifen habe, was sie aber nie tut, korreliert natürlich auch mit dem Umstand, dass fast ausschließlich nach Westen, in die Europäische Union, migriert wird – und zwar so massenhaft und lang anhaltend, dass eigentlich von einem Exodus die Rede sein muss. Europa (und Nordamerika) werden folglich zur Chiffre für den Westen und die Internationale Gemeinschaft, wobei unterbelichtet bleiben kann, dass zur Internationalen Gemeinschaft im Sinne der Vereinten Nationen schon in den 1990er Jahren auch China und Russland gehörten — abgesehen von anderen wichtigen Akteuren wie Indien, Brasilien u.a.

Weitet man den Blick über den südosteuropäischen Kontext hinaus, so kann das Motto Go West in einem solchen Maße lädiert erscheinen, wie der besagte Popsong aus heutiger Sicht trashig herüberkommt: zum einen hat sich der Westen mit den EU-Osterweiterungen, mit dem Brexit, mit den grotesken Entwicklungen in den USA (Trump, Stürmung des Capitols, etc.), aber auch im Zuge der nicht enden wollenden Serie liberal-illiberaler Zerwürfnisse unter den EU-Staaten (sowie innerhalb dieser Staaten selbst) stark verändert. Die Attraktivität besteht zwar weiter, hat aber an Hochglanz empfindlich eingebüßt. Natürlich steckt in Stuart Halls postkolonialem Diktum The West And The Rest von 1992 weiterhin viel fundamentale und wichtige Kritik an den Verhältnissen zwischen Westeuropa, Nordamerika, Japan einerseits – und den ehemals unterworfenen, teils weiterhin stark ausgebeuteten, mithin direkt oder subtil beherrschten ehemaligen Kolonien Afrikas, Lateinamerikas, Asiens und Ozeaniens andererseits.

Doch nicht nur „der Westen“ hat sich verändert. Es wäre es eine eigene Form eurozentristischer Ignoranz, nicht zu beobachten, wie sich eigentlich „der Rest“ (oder zumindest Teile des sogenannten „Rests“) in der Zwischenzeit entwickelt haben: Es ist mittlerweile zum Beispiel überhaupt nicht mehr gesagt, wer im Wettrennen zwischen China und den USA als dominant hervorgehen wird. Es erscheint momentan alles andere als vorhersehbar, wie sich das liberaldemokratische Gesellschaftsmodell entwickeln wird — das noch in der Wendezeit der 1990er Jahre in Francis Fukuyamas pompös gefeiertem Irrtum des angeblichen Endes der Geschichte vorschnell als siegreich und erhaben erklärt worden ist. Und was bei allen binären Sichtweisen auf die geopolitischen Verhältnisse seit jeher ausgeblendet und unterschätzt wird, ist die Agency sogenannter periphärer Räume, der viel zitierten „Pufferzonen“ oder „Tampon Areas“, des Dazwischens und der „dritten Wege“ — und dazu gehört auch, die gesamte Geographie zwischen Russland und der EU zu subjugieren und zu objektifizieren. Dies kritisiert etwa auch der ukrainische Historiker und Aktivist der Gruppe Sozialny Ruch (Soziale Bewegung) Taras Bilous, der sich in der Zwischenzeit dem anarchistischen Widerstand in Kiew angeschlossen hat, in einem Interview auf analyse & kritik:

Ich glaube, es sickert langsam durch, dass das Handeln Putins nicht allein als Reaktion auf die Politik des Westens zu verstehen ist, auch wenn es diese Haltung nach wie vor gibt. Was aus meiner Sicht noch nicht angekommen ist, ist die Einsicht, dass auch die Menschen in den Ländern zwischen dem Westen und Russland eine eigene politische Subjektivität haben und das Recht, über ihr Schicksal selbst zu entscheiden. Viele Linke im Westen machen immer noch den Fehler, diese Menschen nur aus der Perspektive der Konfrontation zwischen dem Westen und Russland zu betrachten.

»Die Linke im Westen muss umdenken« (Anmerkungen zum Krieg aus Kiew — ein Gespräch mit Taras Bilous), in: ak analyse & kritik vom 10.3.2022, HYPERLINK (zuletzt abgerufen am 11.3.2022).

Das heißt natürlich nicht, dass Kontextualisierungen keinen Sinn machen: sowohl Ammar Ćut, Nicolas Moll und einige andere haben sich die Mühe gemacht, wichtige Argumente zu sammeln, die unter den Links noch einmal nachgelesen werden können. Ich komme auf einzelne Aspekte im nächsten Abschnitt zurück, werde aber nicht alle Argumente für einen solchen Vergleich hier noch einmal reproduzieren. Mir ist wichtig, festzustellen, dass die Rolle „des Westens“ nicht überbewertet und als quasi „allmächtig“ missverstanden werden sollte: denn das ist nicht der Fall. Wie Moll und Ćut gelange ich zum Ergebnis, dass es durchaus Vergleichbares gibt (und die Fragen der staatlichen Souveränitätsverletzung und der diskutablen ‚Exception Musulmane‘ lasse ich hier unbehandelt, weil diese Fragen sehr komplex sind und kurz behandelt zu einseitigen Antworten verleiten). Wie jedoch auch das folgende Beispiel belegt, sind „der Westen“ und seine angeblichen Werte jedenfalls nicht von ungebrochener Strahlkraft in der Arena der Soft Power und des Sendungsbewusstseins. Das serbisch-russische Bündnis aus grenzübergreifendem Neo-Populismus, welcher sich wiederum aus immer wieder hergestellten Kränkungen, Ressentiments und ganz besonders aus historischem Revisionismus und wirtschaftlicher Misere speist, unterstützt das Argument, dass vergleichende, kontextualisierende Methoden durchaus hilfreich sein können: wenn schon nicht unbedingt, um im Anderen das Selbe zu sehen — so doch, um die Komplexität und Dimension der gegenwärtigen Lage über Grenzen hinaus und in sogenannten „periphären“ Räumen zu verstehen, die so oft in der Geschichte Austragungsort und Ausgangspunkt sogenannter Proxykriege waren.

4. Pro-Putin-Demonstrationen in Serbien und Bosnien (RS)

Ein wesentliches Argument für eine Kontextualisierung des russischen Kriegs gegen die Ukraine und des Kriegs gegen Bosnien-Herzegowina, über welches sich Europäer:innen tatsächlich unbedingt Gedanken machen müssen, findet sich nämlich in der Rolle Russlands auf dem Westbalkan und in der schon länger zelebrierten, serbisch-russischen Freundschaft bzw. Bruderschaft. Diese Rolle war schon in den 1990er Jahren für Bosnien-Herzegowina äußerst destruktiv, weil jede effektive Intervention stets mit einem „Njet“ der Vetomacht Russland zu rechnen hatte. Die Rolle Russlands auf dem Westbalkan war, neben den nicht weniger problematischen, in jüngeren Jahren aktiv gewordenen Akteuren Türkei und China, zuletzt zunehmend in die Aufmerksamkeit der Südosteuropaforschung gerückt.5

Pro-Putin-Positionen finden sich allenthalben in der linguistic landscape Belgrads, wie hier an einem Souvenirstand auf der Knez Mihailova im Zentrum (November 2021). Bildquelle: Thomas Schad.

Die serbisch-russische Achse kam zuletzt ganz deutlich bei den Pro-Putin-Demonstrationen in Serbien und in der RS BiH zum Ausdruck: Putin wird in Belgrad gefeiert, titelte der Spiegel am 5.3.2022. Diese Demonstrationen mögen gewiss zu einem Teil zu Wahlkampfzwecken inszeniert worden sein. Dennoch (oder gerade deshalb) sind sie sehr relevant, weil die Menschen auf diesen Demos schließlich keine Pappfiguren oder Marionetten sind. Zudem gibt es diese Pro-Putin-Positionen nicht nur in Serbien, sondern auch in der sogenannten Republika Srpska (RS) in Bosnien-Herzegowina. Dort tut Milorad Dodik seit letztem Jahr verstärkt alles dafür, die Instabilität des Gesamtstaats dermaßen zu eskalieren, dass es zum Ausbruch eines offenen Konfliktes kommen könnte. Es muss davon ausgegangen werden, dass die Pro-Putin-Demonstrant:innen in Serbien und in der sog. RS von einem ähnlichen Geist beseelt sind, wie die russischen Anhänger:innen des Putin-Regimes, das keinen Hehl daraus macht, die eigene Erfolglosigkeit und den Frust über den Niedergang „ihres“ früheren Territoriums durch Krieg und brutale Gewalt kompensieren zu wollen.

Wir sehen am russischen Beispiel jetzt in aller Deutlichkeit, dass bellende Hunde durchaus beißen – weshalb ich inzwischen weniger als zuvor von zahlreichen Einschätzungen aus dem vergangenen Jahr zu überzeugen bin, die im Zusammenhang mit den Sezessionsdrohungen Milorad Dodiks die Auffassung vertraten, es werde schon zu keiner ernsthaften, kriegerischen Eskalation kommen. Zu Putins Spezialitäten etwa scheint es zu gehören, gerade das zu tun, wovon in westmitteleuropäischen Kreisen geglaubt wurde, dass er es eben nicht tun würde. Analog könnte also durchaus davon ausgegangen werden, dass illiberale, neo-populistische und gesamtgesellschaftlich betrachtet erfolglose (und ganz gewiss planlose) Männerfreunde Putins – wie Aleksandar Vučić aus Serbien und der Mini-Tycoon Milorad Dodik aus der RS BiH – ebenfalls Dinge tun könnten, die als irrational und unerwartet gelten müssen. Es ist also an der Zeit, endlich den warnenden Stimmen Gehör zu verschaffen: sowohl in der russisch-europäischen Nachbarschaft, als auch in der revisionismuskritischen Öffentlichkeit des Westbalkans.

5. Einspruch der Zivilgesellschaft des Westbalkans

Die Pro-Putin-Proteste in Serbien und der RS bedeuten freilich nicht, dass dort alle so denken würden: Ich sehe zum Beispiel in meinem Bekannten-, Freundes- und Kolleg:innenkreis aus Serbien fast ausschließlich Anti-Putin-Stimmen, die zudem seit langem vor den Gefahren der regionalen Revisionist:innen warnen. Der jüngste, pro-ukrainische Protest in Belgrad hat außerdem gezeigt, dass die Zahl der Protestierenden auf der Seite des Anti-Kriegs-Protests größer ist als die der Pro-Putin-Demonstrant:innen. Allerdings drückt sich dieser Protest in Serbien oft auch etwas nuancierter oder vorsichtiger aus, weil befürchtet wird, dass sich dieser personen- und regimebezogene Protest schnell zu anti-russischen Stereotypen ausweiten könnte. Aus der Zeit der Anti-Milošević-Proteste und der Stimmung in Europa wird erinnert, wie sich anti-serbische Ressentiments und Stereotypen oft auf „die Serben“ insgesamt ausgewirkt haben. In Bosnien und der Diaspora wird, durchaus ernstgemeint, oft dagegen gehalten, dass man sehr wohl zwischen Tschetniks, Kriegsverbrechern, Mitläufern und „den Serb:innen“ insgesamt unterscheide: dennoch hat international zweifellos eine Stigmatisierung Serbiens und „der Serb:innen“ in Folge der Ära Milošević stattgefunden. 

Die Historiker:innen aus Serbien, Bosnien-Herzegowina, Kroatien und den anderen post-jugoslawischen Ländern, mit denen ich das letzte Jahr über im Projekt Histoire pour la liberté zusammengearbeitet habe, haben sehr schnell, sehr deutlich und öffentlich ihren Protest gegen Putins Invasion der Ukraine geäußert, und zwar gemeinsam und diskursübergreifend — worin auch ihre größte Stärke liegt. Als Autor:innen und Unterzeichner:innen der Deklaration Odbranimo Historiju / Lasst uns die Geschichte verteidigen haben sie sich gegen den Missbrauch geschichtlicher Themen durch den Geschichtsrevisionisten Putin gestellt: wissend, dass dieselbe Logik von serbischen und auch kroatischen Nationalisten am Werk ist, wenn das Existenzrecht Bosnien-Herzegowinas in Frage gestellt wird, was in letzter Konsequenz zu nichts anderem als Krieg führt.

Der Historiker Milivoj Bešlin aus Novi Sad (Serbien), Mitglied des Netzwerks Histoire pour la liberté, hat in einem Interview mit Aljazeera Balkans eindringlich davor gewarnt, dass es das ausgesprochene Ziel sowohl Russlands, als auch des Vučić-Regimes in Serbien sei, Bosnien-Herzegowina und Montenegro zu destabilisieren. Das Putin-Regime werde vom Vučić-Regime in Belgrad erwarten, dass es bei Bedarf eine „Balkanfront“ für Putin eröffne. Serbien ist das einzige Land Europas, das die russische Aggression gegen die Ukraine bei den Vereinten Nationen nicht eindeutig verurteilt, sondern sich enthalten hat.6 Die wahren Gesichter Vučićs und Dodiks, die Insidern aus Europa und der kritischen Öffentlichkeit des Westbalkans seit langem kein Rätsel mehr aufgeben, die aber bisher weitgehend unangetastet blieben oder gar als Partner behandelt wurden, zeigen sich heute bar und ohne jede Schamesröte der Weltöffentlichkeit. In diesem Zusammenhang ist auch zu sehen, dass der Tag der Unabhängigkeit Bosnien-Herzegowinas in diesem Jahr am 1. März von gefühlt sehr viel mehr Menschen als sonst in den Online Plattformen zelebriert wurde.

Für die neue Bundesregierung, und insbesondere für den neuen Beauftragten für den Westbalkan, Manuel Sarrazin, sollte nun ganz klar sein, wie diese und andere, durch Revisionismus, Ressentiment, Korruption und billige Opportunità geleiteten Neo-Populisten einzuordnen und zu behandeln sind. Eine profunde Kenntnis der zwar komplexen, aber mit den entsprechenden Kompetenzen leicht durchdringbaren und verstehbaren Lage auf dem Westbalkan ist dafür natürlich unabdinglich; befremdlich und entmutigend muss dagegen das jüngste Interview mit Christian Schmidt, dem ehemaligen CSU-Politiker und aktuellen Hohen Repräsentanten der Internationalen Gemeinschaft für Bosnien-Herzegowina, auf Deutschlandfunk wirken: selbst die grundelegendsten Kategorien und Beobachtungen werden hier durcheinander gebracht und lassen leider ernsthafte Zweifel am Verständnis der Lage aufkommen (so ist das Interview hindurch von „Völkerschaften“ die Rede, was dem Jezik*-Begriff ‚Narodnost‘ entspräche, und nicht von „Völkern“ oder „konstitutiven Völkern“, wie die Kategorie ‚konstitutivni narodi‘ korrekt zu übersetzen wäre; und ich komme erst gar nicht auf weitere falsche Erklärungen zurück).

6. Linke Russlandreflexe?

Grenzübergreifende Kontextualisierungen und diachrone Vergleiche bieten sich auch in der Triangulierung negativer Solidarität zwischen dem Westbalkan, Russland und Deutschland sowie hinsichtlich überkommener Denkschablonen an. Ein auch vom deutsch-bosnischen Blogger Ammar Ćut angesprochenes Thema sind die Reflexe, wirren Bündnisse und zweifelhaften „Solidaritäten“, die sich in den 1990er Jahren zwischen einer nicht unbeträchtlichen Zahl deutscher Linker einerseits und serbischen Kriegstreibern und Kriegsverbrechern andererseits gebildet hatten. Diese folgten mehr oder weniger starren Denkschablonen, wonach eine pro-serbische Positionierung tendenziell als eher „links“ zu gelten hatte; galt doch Kroatien vielen Linken aufgrund der Geschichte des pro-nazistischen, kroatischen Ustaša-Regimes im Zweiten Weltkrieg als grundsätzlich eher „rechts“, auch in den 1990er Jahren; dieser Positionierung entspräche auch eine heutige, pro-russische Haltung, weil sie die alte Zugewandtheit der Linken zur Sowjetunion mime.7

Auf den ersten Blick erscheinen solche Vergleiche zu den 1990er Jahren plausibel, da – wie auch von Ćut aufgeführt – zum Beispiel Sahra Wagenknecht noch unmittelbar vor Kriegsausbruch in aller Öffentlichkeit behauptet hatte, es läge überhaupt nicht in Russlands Interesse, einen vollumfänglichen Krieg gegen die Ukraine anzuzetteln. Dies sowie weitere Statements, die entweder als pro-Russisch oder als stark relativierend, verharmlosend und falsch gelten müssen, hat auch eine relativ lautstarke Debatte innerhalb der Partei Die Linke ausgelöst, wie im rhetorischen Austeilen Gregor Gysis deutlich wurde.8 

Die Hervorhebung solcher Analogien, die den Eindruck erzeugen kann, auch heute sei die Linke tendenziell pro-russisch, so wie sie in den 1990er Jahren schablonenhaft pro-serbisch war, ist jedoch mit Vorsicht zu betrachten und auch auf Stichhaltigkeit zu überprüfen: Ćut führt etwa keine weiteren Beispiele an, die eine nennenswerte Analogie zwischen den linken Reflexen der 1990er Jahre und der Gegenwart bestätigen würden, die über mehr als marginale Gruppen hinausgehen würde. Er verweist auf den erhellenden Podcast Clueless oder die deutsche Linke & Jugoslawien von Ballaballa Balkan, wo dies genauer ausgeleuchtet wird — aber linke Solidaritätsbündnisse wie die bereits genannte International Workers Aid unterrepräsentiert bleiben (bzw. Aktionen, die sich nicht mit dem Label ‚links‘ geschmückt haben). Zwar verwenden viele Linke heute, zum Beispiel in ihren Berliner Protestaufrufen, milderes Vokabular bezüglich Russlands, indem sie sich etwa auch an eine Adresse wendet, die in der Genese der Eskalation nicht vergessen werden darf: nämlich die Ausweitung der NATO sowie eine insgesamt zu hinterfragende Russlandpolitik der Nordatlantikallianz. Dennoch sind diese Erklärungen Lichtjahre entfernt von einer Pro-Putin-Position.

Trotzdem kommt es mir vor, als hätten viele Linke – aber auch viele Andere – in Deutschland noch nicht verstanden, um was für eine krasse Form eines illiberalen, autoritäten, mithin nicht-linken und durch und durch rechten Führerregimes es sich beim Putin-Regime handelt; ich finde es extrem wichtig, bereits darauf hinzuweisen, dass die Beschäftigung mit rechtsradikalen, antipolitischen Strömungen heute nicht mehr dasselbe sein kann, wie die Beschäftigung mit rechtsradikalen Kräften vor dem entgrenzten medialen discurrere über Neue Medien: so, wie wir heute anders über die Kategorie ‚Links‘ nachdenken sollten, sollten wir dies heute auch in Bezug auf die Kategorie ‚Rechts‘ tun. Kremlchef Putin bündelt nicht nur mit genuin nicht-linken Kreisen — wie dem geförderten, orthodoxen Klerus und der spätkapitalistischen Oligarchie — sondern hat auch nationalistische Massenorganisationen wie Junarmija gegründet.

Wie Micha Brumlik in der taz ausführlich aufzeigt, spricht vieles dafür, Putin auch aus ideologischer Hinsicht als rechtsextrem einzustufen. Putin gilt als Anhänger des faschistischen russischen Philosophen Alexander Dugin, der auch dafür verantwortlich sein soll – unter anderem über die Vermittlung des ex-linken, rechtsradikalen deutschen Publizisten Jürgen Elsässer – Martin Heideggers Denken in der neuen deutschen Rechten (wieder) populär gemacht zu haben; Elsässer wiederum hat sich als Leugner des Srebrenica-Genozids in Bosnien hervorgetan. Alexander Dugin ist ein Fürsprecher der sogenannten Eurasischen Idee oder des Eurasismus, den es in anderem Gewand auch in rechten türkischen Kreisen gibt, die wiederum mit Dugin im Austausch stehen. Dugin stellt sich am klarsten dem westlich-liberalen Kosmopolitismus entgegen — ähnlich wie neurechte, neo-populistische Kreise weltweit — setzt aber auch der „Enge“ des Nationalismus ein für das imperiale Russland „geeigneteres“ Konzept entgegen, ohne deswegen den Chauvinismus des Nationalismus zu entbehren. Die Eurasische Idee bilde demnach eine „vierte politische Theorie“ nach Liberalismus, Faschismus und Kommunismus.9

Durch die explizite Ablehnung liberaler Werte muss das System Putin für linke Menschen völlig inakzeptabel sein – die sich nicht mehr ausschließlich auf rechte Kräfte innerhalb ihrer altangestammten, nationalen oder sogar ethnischen Bezugsrahmen konzentrieren sollten. Das heißt natürlich nicht, dass rechtsradikale Strömungen im Inland zu vernachlässigen wären: es bedeutet vielmehr, dass das illiberale, rechtsradikale Spektrum und das, was wir wahrscheinlich unter Faschismus verstehen, heute sehr viel breiter und gewissermaßen „diverser“ aufgestellt ist.

Verkrustetes, fast schon folkloristisches, linkes Vokabular aus dem 20. Jahrhundert sowie konservativ-ideologische Argumentationsrhetorik finden sich indes trotzdem in „linken“ Schriften: so etwa in einer Stellungnahme von Jens Jaschik, die sich mit durchaus stichhaltigen Argumenten gegen Sanktionen und Boykotts wenden will, seinen Aufsatz jedoch bereits im ersten Absatz durch verwässerndes Vokabular in ein sehr fragwürdiges Licht rückt.10 Andererseits ist auf demselben Portal Solidaritaet.info nicht zu übersehen, dass Putins Geschichtsrevisionismus – mit klaren Anleihen am zaristischen Russland – sehr kritisch notiert und widersprochen wird. Die Putin’sche Rede von Lenins angeblicher „Erfindung der Ukraine“ widerspricht nämlich den Gründungsakten der Sowjetunion, die konservativ-linken Autor:innen seit jeher als Projektionsfläche dient.11 Allerdings sind Vertreter:innen der deutschen Linken, die sich auf widersprüchliche, irrationale Weise Russland zuwenden, obwohl sich dieses in den Händen eines rechten, faschistoiden Regimes befindet, nicht allein: diese Reflexe zeigen sich auch in Teilen der türkischen Linken, welcher von selbstkritischeren Vertreter:innen eine „Russlandkrankheit“ (Rusçuluk hastalığı) attestiert wird.12 Ich denke nicht, dass sich „linke Russlandreflexe“ und die rechte Appropriierung „linker Diskurse“ einfach über die sogenannte Hufeisentheorie (oder Horseshoe theory) erklären lassen, wonach sich die extremen Enden des rechten und des linken Spektrums einander zuneigen: Ich denke, dass die Rechts-Links-Binarität insgesamt zu hinterfragen ist, und dass sich viele dieser widersprüchlichen Bündnisse, die gerade nicht extreme gesellschaftliche Milieus betreffen, auf grundlegende Veränderungen des medialen Diskursraumes und auf Informationsprobleme zurückführen lassen.

7. Für und wider Sanktionen und Strafmaßnahmen

Ein weiterer, wichtiger und höchst ambivalenter Schauplatz für Solidaritätsäußerungen sind die Aufrufe zu Boykottmaßnahmen, zu weiteren Sanktionen Russlands, nach allen möglichen Strafmaßnahmen im Schnittmengenbereich von Soft Power und Hard Power, sowie der Wunsch, Russland so weit wie möglich zu isolieren. All das wird immer eingeschränkt durch die Problematik, von russischen Gas- und Ölexporten abhängig zu sein: wie der grüne deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck auf Tagesschau.de am 8.3.2022 Tacheles aussprach, sei unser Wirtschafts- und Gesellschaftssystem nicht bereit, ohne „schwerste“ Schäden und (gesellschaftliche) Verwerfungen auf ein komplettes Energie-Embargos Russlands davonzukommen. Ich habe über die Ambivalenz von Boykott- und Sanktionierungsmaßnahmen bereits im ersten Beitrag geschrieben, greife das Thema aber noch einmal auf, weil sich in der Zwischenzeit noch zahlreiche weitere Meinungen und Argumente gesammelt haben.

Die Brisanz dieser Frage spitzt sich mit jedem neuen Tag zu: inzwischen hat Putin die westlichen Sanktionen mit kriegsähnlichen Maßnahmen verglichen – wobei es in diesem Kontext natürlich völlig absurd ist, dass es in Russland verboten bleibt, den Krieg gegen die Ukraine als solchen (война) zu bezeichnen, da es sich ja laut Kremlsprech angeblich um eine militärische „Spezialoperation“ (спецоперация) handle. Zunehmend problematisch ist die (schwierige) Unterscheidung zwischen gezielten, wirtschaftlichen Sanktionen und Boykotts, die das Regime treffen – und kulturellen, gesamtgesellschaftlichen, von denen die gesamte Bevölkerung betroffen ist, und welche sehr negative und unerwünschte Konsequenzen haben können. Letzteres ist insbesondere dann auch für die sanktionierende Seite kontraproduktiv, wenn das Fernziel Regime Change in Russland lauten sollte. Und seien wir ehrlich: auch wenn es kein erklärtes Ziel sein mag, so hoffen im Moment doch eigentlich alle darauf, dass Putin abgesetzt wird, dass ihn außerirdische Drohnen abholen, oder dass sich die Erde unter seinen Füßen auftun und ihn zu sich nehmen möge. Womit sich natürlich neue Fragen ergeben.

Ich habe im Folgenden versucht, einige der wichtigsten Pro- und Contra-Argumente zu weiteren Sanktionen zu sortieren. Fangen wir mit den derzeit äußerst populären Argumenten für weitreichende Sanktionen an. Jonathan Littell etwa spricht sich im Guardian stark für harte Sanktionierungsmaßnahmen aus, weil er die Machtbasis des Putin-Regimes in einer oligarchischen Macht-Clique ausmacht, die es konsequentermaßen gelte, schmerzlich zu treffen:

The western sanctions need to target the people who actually enable Putin’s actions: his entire senior security and administrative apparatus. Not just the few dozen people already targeted, but the thousands of second-tier officials in the presidential administration, the military and the security services. These people are not billionaires, but all are multimillionaires, with much to lose. Ruin the lives of these several thousand people, and let them judge who is to blame. Seize the mansions in England and Spain, forbid the vacations in Courchevel and Sardinia, throw their children unceremoniously out of Harvard and Oxford, and let them stay in Russia, with no way out and no imported goods to spend their stolen money on. Make the cost a real one, a personal one, and let them see if it is worth the price to maintain a deranged, power-hungry tsar on his throne. Let them decide if they want to follow him into the abyss.13

Littells Argumente erscheinen auf den ersten Blick plausibel – obwohl natürlich einiges dagegen spricht, dass man wirklich erreichen könnte, den Lebensstandard russischer Oligarchen-Familien mit Vermögen von mehreren Millionen oder Milliarden Euro empfindlich zu senken. Ich bezweifle stark, dass es möglich ist, die besagten Oligarchen effektiv von ihren Vermögen in nicht-Rubel Devisen abzuschneiden. Dazu kommt, dass es sehr schwierig ist, effektiv Sanktionen gegen Kryptowährungen durchzusetzen, auf die jetzt viele Oligarchen ausweichen: laut Tagesschau.de ist seit dem Einmarsch der russischen Truppen in der Ukraine soviel traditionelles Fiatgeld (Rubel) in Kryptowährungen (Bitcoin) eingetauscht worden, wie noch nie. Kryptowährungen sind einerseits technisch schwer sanktionierbar, und andererseits spielen sie auch für die Ukraine eine große Rolle: Kryptowährungen sind ebenso ambivalent einsetzbar wie vorrevolutionäres Fiatgeld.14

Im Fall eines der größten Oligarchen, Alischer Burchanowitsch Usmanow, der gerade aufgrund seiner in Hamburg liegenden Jacht sowie seiner Villa am Tegernsee in Deutschland zu größerer Bekanntheit gelangt ist, müsste man außerdem ein über Russland und Usbekistan verwobenes Familiennetzwerk effektiv durchtrennen.15 Zudem besitzen viele Oligarchen Mehrfachstaatsbürgerschaften, und für manche europäische Länder, wie etwa Montenegro oder Zypern, hat sich die Ausstellung ihrer Staatsbürgerschaft an reiche „Investoren“ zu einem Geschäftsmodell entwickelt; auch dies ist in diesem Umfang eine neuere Option, die keineswegs nur russische Staatsbürger:innen wahrnehmen, und unter ihnen gewiss nicht ausschließlich Putin ergebene Oligarchen.16 Abgesehen davon bestehen natürlich alle möglichen anderen, globalen Verwobenheiten, die über relativ „problemlos“ enteigenbare Dinge wie Luxusjachten oder Immobilien weit hinausgehen: Finanzierungsbeteiligungen, Aktien, intransparente Konten, Briefkastenfirmen, unkooperative oder involvierte Drittstaaten, etc. Die Schwierigkeiten effektiver Sanktionen im Bereich der Finanztransaktionen spricht auch Michail Borissowitsch Chodorkowski an, der selbst ein russischer Oligarch war und mit der Zerschlagung des Konzerns Yukos in Ungnade des Kremls gefallen war. Auch er spricht sich gerade wegen dieser Schwierigkeiten für stärkere, eigentlich totale Sanktionen in diesem Bereich aus:

The sanctions must be tighter. There should be no holding back. Sanctions against the banking sector can and will have an impact, but it is time to stop pulling punches. If the banks are targeted as tightly as they should be, it will even nullify the value of the energy dollars on which the regime relies. Sanctions have been imposed on 70% of Russian banks. Leaving 30% of Russian banks intact gives the regime all the wriggle room it needs to squirm out of the vice.17

Chodorkowski schreibt außerdem, dass es ihm als russischem Staatsbürger mitnichten ein Gefühl der Genugtuung verschaffe, sich für dermaßen harte Sanktionen auszusprechen: er wisse, dass die Hauptleidtragenden im einfachen russischen Volk zu finden sein würden. Er verbindet damit dennoch die Hoffnung, dass sich genau dieses Volk endlich gegen das bestehende Machtsystem aus korrupten Seilschaften zwischen Kreml und Oligarchie erheben werde. Als Gegenmittel zur zu erwartenden Verelendung schlägt er vor, Fonds einzurichten, die mit dem enteigneten Geld der Oligarchen zu füllen seien, um die Einlagen nach dem Regime Change an das geschundene russische Volk umzuverteilen. Der Fall des Ex-Oligarchen Chodorkowski, anderer russischer Oligarchen, aber auch geringerer Nouveaux Riches (etwa jene auf Zypern), sowie die Pläne zur Umverteilung deuten auf eine jahrzehntelang gewachsene Tiefenstruktur des Privatisierungsprozesses in Russland und anderen Staaten der ehemaligen Sowjetunion hin.

Diese Strukturen, die auf verschlungenen Wegen des Privatiserungsprozesses seit den frühen 1990ern über die Jelzin-Jahre und schließlich Putins Abbrechnung und Unterwerfung der Oligarchen gewachsen sind, werden mit Boykotten und Sanktionen ganz gewiss nicht aus der Welt zu räumen sein. Die in Moskau tätige Journalistin und Korrespondentin Inna Hartwich bietet in ihrem detailreichen Artikel in der taz über die bekanntesten russischen Oligarchen tiefe Einblicke in diese Strukturen – und zeigt auch, was Oligarchen droht, die sich, wie einst Chodorkowski, gegen Putin stellen.18 Die Transitionsprozesse von einer realsozialistischen Planwirtschaft, in der Geld kaum vergleichbar mit Geld im marktwirtschaftlich-kapitalistischen Sinne war, sind eine äußerst komplizierte Angelegenheit – mit teilweise jeweils sehr unterschiedlichen Formen der Umverteilung oder „Umeignung“, was hier nicht erörtert werden kann, aber grundlegend für das Verständnis dieser „verschachtelten“ Zustände (Hartwich) sind.19 

Es stellen sich aber noch ganz andere Fragen: wie wahrscheinlich wäre es überhaupt, dass ein Regime zu Fall gelangt, das sich über viele Jahre vorbereitet hat – und zwar in dem Sinn vorbereitet, dass es nach und nach alle inneren Widerstände ausgeschaltet hat, also fest im Sattel sitzt und über loyale Schergen (Silowiki / силовики) verfügt? Der Wirtschaftswissenschaftler und Oppositionspolitiker Andrej Nekrassow ist jedenfalls laut Дekóder gar nicht von der Effizienz von Sanktionen überzeugt:

Man muss sich darüber im Klaren sein, dass die Wirtschaftssanktionen in den nächsten Jahren in keiner Weise die Stabilität des Putin-Regimes beeinflussen werden: Den Russen wird es schlechter gehen. Die Wirtschaft wird einbrechen. Aber das kümmert Putin nicht. Er hat genug Geld für die Gehälter der Silowiki und für die Waffenproduktion, um ein weiteres Jahrzehnt zu überstehen. Sogar für Ärzte und Lehrer wird etwas übrigbleiben. Für die Regimestabilität reichen jedoch die Silowiki.20

Autoritäre Regime können sich durchaus über Jahrzehnte hinweg trotz Sanktionen festsetzen und halten, wie die Beispiele Iran und Nordkorea beweisen. Auch Jens Jaschik stellt in seiner bereits genannten Position fest, dass Sanktionen von außen kontraproduktiv seien, wenn sie nicht, wie im Fall Südafrikas, von Gewerkschaften im Inneren selbst getragen und umgesetzt würden; allerdings muss dazu gesagt werden, dass der Autor ein sehr fragwürdiges Verständnis von der russischen Wirtschaft insgesamt zu haben scheint, da er davon ausgeht, dass Russland eine Wirtschaft habe, die „in weiten Teilen autark funktioniert“. Dies widerspricht jedoch den Tatsachen: Das heutige Russland fußt auf einer Rentenökonomie, die tatsächlich mindestens ebenso abhängig von Rohstoffexporten ist, wie ihre Wirtschaftspartner in Europa auf den Rohstoffimport angewiesen sind.21 Dass Rentierstaaten im Verhältnis zwischen der Oligarchie bzw. der herrschenden und administrativen Klasse einerseits, und „der Bevölkerung“ andererseits einer anderen Logik folgen als (Post-)Industriestaaten demokratischen Regierungssystems – was auch immer heute darunter zu verstehen ist und dabei ist, daraus zu entstehen – wurde ausführlich beschrieben:

Der Rentierstaatsansatz wurde im Zusammenhang der Entstehung der Erdölstaaten des Mittleren Ostens entwickelt. Die Grundannahme ist, dass im Zuge eines Erdölbooms große externe Renten in eine Volkswirtschaft fließen, d. h. bedeutende Einnahmen (aus dem Export von Erdöl) erzielt werden, ohne dass größere Kapitalinvestitionen notwendig gewesen wären (da in einer Boomphase die Weltmarktpreise für Erdöl bedeutend höher als die Produktionskosten sind). Dieser Ansatz wurde zuerst 1970 von Hossein Mahdavy in einer vergleichenden Studie zum Iran benutzt. Er betonte, dass der große Anteil externer Renten am Staatshaushalt bedeutende Konsequenzen für das politische System eines Landes hat: “A government that can expand its services without resorting to heavy taxation acquires an independence from the people seldom found in other countries. However, not having developed an effective administrative machinery for the purposes of taxation, the governments of rentier states may suffer from inefficiency in any field of activity that requires extensive organizational inputs. In political terms, the power of the government to bribe pressure groups or to coerce dissidents may be greater than otherwise. By the same token, this power is highly vulnerable since the stoppage of external rents can seriously damage the government.”22

Wie hier angesprochen wird und auch aus vielen anderen Rentenökonomien bekannt ist, neigen diese zwar oft zu hoher politischer Instabilität. Es ist problematisch, Vorstellungen von Arbeiterschaft (ergo: Gewerkschaften) aus dem 19. und 20. Jahrhundert, welcher in orthodoxen, marxistischen Positionen so große Agency eingeräumt wird, auf Rentenstaaten zu übertragen. Dort mag ihnen nicht unbedingt die entscheidende politische Kraft in Reaktionen zukommen, die auf Sanktionen des Hauptrentensystems folgen können – oder von denen man hofft, dass sie erfolgen mögen. Folgt man dem Rentierstaatsmodell weiter, das im oben zitierten Text auf Russland übertragen wird, vermögen es Rentierstaaten, Regimestabilität zu erhöhen, indem gezielt Einnahmen aus dem Rohstoffexport eingesetzt werden: ganze Bevölkerungsgruppen können dadurch auch gezielt pazifiziert werden – solang der Rubel (Riyal, Dollar,…) rollt. Exemplarisch ist in Inna Hartwichs Analyse das Kurzportrait des russischen Oligarchen Roman Abramowitsch, der drei Staatsbürgerschaften besitzt (die russische, die portugiesische und die israelische) und auch im Westen durch seinen Erwerb des englischen Fußballclubs FC Chelsea bekannt ist, den er kürzlich verkauft hat:

Auf der Halbinsel Tschukotka ist Roman Abramowitsch „der Gott“. Als einen solchen bezeichnen ihn die Menschen im Autonomen Kreis der Tschuktschen im äußersten Nordosten Russlands, nicht allzu weit von Alaska entfernt, auch heute noch. Selbst wenn er sich bei ihnen nur selten gezeigt haben mag. Sie lieben ihren „Roma“ dafür, dass er Lebensmittel, kanadische Fertighäuser und Treibstoff nach Norden einschiffte und ihre Kinder in den Schulferien ans Schwarze Meer fliegen ließ. Dafür, dass Tschukotka gedieh. Sie vermissen den Mann, der von 2000 bis 2008 ihr Gouverneur war.23

Doch im Segen liegt zugleich der Fluch: wenn die Ressourcenrente und das Vermögen der Oligarchen einerseits dafür eignen, die Bevölkerung zu pazifizieren und Städte auf Hochglanz zu polieren, dann bilden sie andererseits auch eine der empfindlichsten Angriffsflächen, über die dem Regime Schaden zugefügt werden kann (ich komme im nächsten Beitrag noch auf eine andere mächtige Möglichkeit zurück). Wenn Sanktionen also Sinn machen — dann definitiv über die Oligarchen und die Gas- und Ölrente (weiter nach dem Bild).

Mitbringsel von meinen beiden Ukraine-Reisen nach Czernowitz und Kiew (Київ) im Jahr 2012: Paul Antschel/Paul Celan in Czernowitz (Чернівці/טשערנאָװיץ/Cernăuți) und Stadtplan von Kiew (Eigene Abbildung TS).

Ob weitereichendere wirtschaftliche Sanktionen zu befürworten oder abzulehnen sind, lässt sich allerdings nicht nur gemessen an der Frage der Gangbarkeit des Wegs („’schwerste‘ wirtschaftliche und gesellschaftliche Schäden“) und der Erreichbarkeit des Ziels (Zähheit der Gewaltherrschaft) messen – sondern auch am Preis, der auf beiden Seiten zu zahlen ist. Ich werde den Preis, den der Kulturbetrieb und der kulturelle Austausch zwischen dem russischsprachigen Raum und Europa ohnehin zu zahlen haben wird, hier nicht ausführlich diskutieren, weil ich dies erstens nicht beurteilen kann, und auf einer allgemeineren Ebene auch eine Diskussion ist, die besser im nächsten Teil aufgehoben ist, wo es um die Frage der Einflussnahme über digitale Meinungsproduktion geht. Es gibt allerdings andere Preise, die für Sanktionen im humanitären Bereich zu zahlen sind, wie von Nekrassow und Chodorkowski bereits angesprochen. Dabei kann ich nicht beurteilen, was konkret darunter zu verstehen ist, wenn gesagt wird: „Den Russen wird es schlechter gehen“. Es ist jedoch bestens bekannt, wie katastrophal die Folgen von Sanktionen sein können, wie das Beispiel der amerikanisch-britischen Sanktionen gegen den Irak mit über 500.000 toten Kindern in Erinnerung ruft.24 Auch hier muss außerdem bedacht werden, dass Russland und die Ukraine wichtige Getreidelieferanten anderer Länder sind, zum Beispiel in Afrika, wo womöglich mit unerwünschten und grausamen Folgen zu rechnen wäre. So oder so: es wäre jedenfalls zynisch und es bleibt leider zu befürchten, dass ineffektive Sanktionen gegen das Putin-Regime und sein oligarchisches Machtgestell auf eine Verelendung der Bevölkerung hinausläuft, um die sich Putin angeblich nicht schert (Nekrassow, s.o.). Die Grundrente könnte dabei erhalten bleiben, und keines der Probleme wäre dauerhaft gelöst.

8. Deutsche Lobbyisten und das russische Geld

Boykott-Aufrufen und Sanktionen hängt oft zurecht der Ruf der Bigotterie und der Doppelmoral an, weil ganz ohne Whataboutismus gefragt werden kann: Was ist eigentlich mit den Leuten und dem Geld, die innerhalb Europas das System Putin stützen? Während die AfD in Deutschland hier wahrscheinlich das geringere Problem darstellen dürfte, wäre diese Frage insbesondere auf mächtige Lobbyist:innen im Bereich der bislang aufrechterhaltenen Geldflüsse im Rohstoffhandel zwischen Russland und der EU auszuweiten. Hier kommen wichtige deutsche Lobbyisten wie Gerhard Schröder ins Spiel. Ich sehe hier zwar die Gefahr, die Debatte zu stark zu personalisieren und alle Aufmerksamkeit auf den Altkanzler und womöglich noch Manuela Schwesig aus Schleswig-Holstein einzuengen; dennoch muss gesagt werden, dass der Skandal rund um Schwesigs Stiftung und die Gaspipeline Nord Stream 2 zurecht im Rampenlicht stehen.

Hier geht es um viel mehr als die Realisierung eines Projekts, dessen Unterstützung aus Sicht Deutschlands in Friedenszeiten vielleicht erst einmal sinnvoll erscheinen mag — ob im Namen der (notwendigen) Energiesicherheit auf nationaler Ebene, oder ob aus der Perspektive des strukturschwachen Ostseeanrainers Mecklenburg-Vorpommern. Daniel Schulz in der taz erinnert jedoch daran, dass die von Schwesig ins Leben gerufene Stiftung laut Transparency International gegen das Geldwäschegesetz verstieß. Groteskerweise heißt die Stiftung Klima und Umweltschutz MV – womit nichts geringeres als der Elefant im Raum beim Namen genannt wird: das gesamte Problem wäre womöglich sehr viel einfacher lösbar (oder gar nicht entstanden), wenn in den letzten Jahrzehnten auch einmal adhoc vergleichbar hohe Summen wie das ominöse „Sondervermögen“ von 100 Milliarden Euro für Aufrüstung in die reale Umsetzung der Energiewende geflossen wäre. Die Auswirkungen der Komplizenschaft mit dem korrupten System Putin gehen viel weiter, als einfach die Energiesicherheit Deutschlands zu garantieren:

Zum Krieg in der Ukraine verfasste Transparency vor zwei Tagen auch noch eine Mitteilung, die so gar nichts von dem verwaschenen Ach-du-meine-Nase-Duktus Saskia Eskens hat: „Deutschland und seine Partner tragen dahingehend eine Mitverantwortung, dass der bisher äußerst lasche Umgang mit schmutzigem Geld aus autokratisch regierten Staaten dazu beiträgt, Korruption und Machtmissbrauch weltweit zu ermöglichen.“ Und: „Es ist an der Zeit, dass Deutschland und seine Partner konsequent gegen Geldwäsche sowie intransparente Eigentumsverhältnisse und Geldflüsse vorgehen.“25

9. Analoge Aufrüstung, Digitale Entrüstung

Man könnte sagen, dass wir eine Gleichzeitigkeit von analoger Aufrüstung und digitaler Entrüstung beobachten können: einerseits ist der neue deutsche Bundeskanzlerin unglaublich schnell an eine Kehrtwende in der deutschen Außenpolitik gelangt, indem sowohl Waffenlieferungen an die Ukraine, als auch die ungeheuerliche Bewilligung eines „Sondervermögens“ von 100 Milliarden Euro für die Aufrüstung der Bundeswehr beschlossen wurde. Die digitale Entrüstung hingegen zeigt sich darin, dass sich die protestierenden europäischen Öffentlichkeiten postwendend von den öffentlichen Plätzen und Straßen auf die digitalen Meinungsplattformen verlagert haben. Dort hat ihr Volumen noch einmal um ein Vielfaches zugenommen. Ich will in keinster Weise sagen, dass die Äußerung von Entrüstung und Protest in den digitalen Plattformen mit ihren visuellen Möglichkeiten und Reichweiten an und für sich zu verurteilen wäre: ich widerspräche mir selbst, da ich Facebook, Instagram, in geringem Maße Twitter und vor allem WordPress-User bin. Auch wenn ich mich wiederhole: Tatsächlich ist es für mich absolut nachvollziehbar, dass sich wirklich Alle, die ich kenne, von diesem unverfrorenen Schritt Putins betroffen und entrüstet zeigen, denn schließlich hat Putin ganz offen mit dem Atomwaffenarsenal seiner Streitkräfte gedroht. Damit hat er unvergessene, sehr reale Ängste in Europa wieder an die Oberfläche befördert; bewusst und berechnend, wie es vom ehemaligen KGBler Putin auch nicht anders zu erwarten ist. Die Atomwaffen sind real — ebenso wie die 15 Atommeiler, darunter Tschernobyl und das angegriffene Saporischschja. Es spielt dabei keine Rolle, ob er blufft oder nicht: Er hat es getan. Egal, wie man zur NATO, zur Russlandpolitik europäischer Staaten oder der USA stehen mag: das hätte nicht geschehen dürfen.

Doch nicht nur die irreführenderweise als „Social Media“ oder Soziale Netzwerke bezeichneten digitalen Plattformen sind voll der Kriegsnachrichten: beides zusammen, die vielen Europäer:innen allzu begründet erscheinende, analoge Aufrüstung, wie auch die digitale Entrüstung bewirken zusammen, dass es seit zwei Wochen eigentlich kein anderes Thema mehr gibt. So verständlich diese plötzliche und nahezu totale Aufmerksamkeitsverlagerung auch erscheint – so gefährlich ist es, dabei andere Konflikte und Probleme (Stichwort: Corona, Klimakatastrophe) aus den Augen zu verlieren.

Doch auch die Tücken im Wie des Kommunikationsprozesses — und damit gelange ich zum Schluss und zur Überleitung zum nächsten Teil — können dabei wie der Wald vor lauter Bäumen übersehen werden. In der medialen Öffentlichkeit der digitalen Meinungsplattformen wirken unreflektierte Dynamiken wie Whataboutismus und selektive Solidarität fort, die gerade jetzt, im Eifer des Gefechts, größte Auferksamkeit verdienen. Diese Probleme sind Gegenstand einer wachsenden Mass neuer Medienkritik, auf die ich im nächsten Beitrag zurückkomme. Dabei will ich die Frage behandeln, „warum Putin diesen Krieg braucht“, warum es sich bei diesem Krieg um einen „Krieg der Sprache“ handelt, die sich auch darin ausdrückt, dass „niemand Putin spricht“, und wie es – neben einigen der oben genannten Gründen wie Energieabhängigkeit, Korruption u.a. – über dieses Nichtverstehen zu schwerwiegender Indifferenz, zu Desinteresse und zum Gewährenlassen gekommen ist. Wenn dies jedoch für das Putin-Regime zutrifft, das mit Mitteln arbeitet, die auch in anderen neo-populistischen Regimen verwendet werden, dann muss das auch heißen, dass der zu betrachtende Prozess des Nichtverstehens sogar noch viel schwerwiegender ist. Unsere Probleme sind viel größer als der groteske und brutale Krieg des Putin-Regimes gegen die Ukraine.

10. Weiterführende Links und Quellen

Da ich den Text relativ früh verfasst habe, kommen natürlich ständig neue Diskussionen, Vergleiche und hinzu. Diese versuche ich, hier zu sammeln.

https://lossi36.com/2022/03/20/bosnia-and-herzegovina-and-ukraine-same-aggressor-different-name/?fbclid=IwAR2trrgG0WerC6MIvB96xe2QxGAUDJqtxfgDT0dK5vvVuZ2G7kPCdeBINPI

11. Fußnoten und Referenzen

Coverbild: Antikriegsdemo in Sarajevo, (c) Nicolas Moll.

[xi] Auf deren Wissen greife ich permanent zurück — denn ich kann zwar russische Texte lesen und meistens den Inhalt verstehen, aber es ist alles andere als „mein Feld“. Ich hoffe, dass in der ein oder anderen Landesregierung und Universität verstanden wird, warum die Kürzungen der Osteuropaforschung falsch waren; diese Kürzungen betrafen besonders auch das Osteuropainstitut der Freien Universität Berlin, wo ich selbst studiert habe (allerdings mit dem Schwerpunkt Südosteuropa und Türkei).

[1] Umair Haque: Is This World War III?. If You Don’t Understand We’re At War…, in: Mar, 2022 | Eudaimonia and Co vom https://eand.co/is-this-world-war-iii-eed6d0e2dec1 (zuletzt abgerufen am 7.3.2022).

[2] Yilmaz, Zafer (2017): The AKP and the spirit of the ‘new’ Turkey: imagined victim, reactionary mood, and resentful sovereign, Turkish Studies, 18:3, 482-513.

[3] Swetlana Reiter und Grigori Judin: „Die naheliegendste Analogie sind die Jahre 1938/39“, in: дekoder vom 3.3.2022 (Original: 1.3.2022 auf Meduza), URL: https://www.dekoder.org/de/article/krieg-ukraine-stimmung-russland-judin (zuletzt abgerufen am 4.3.2022).

[4] Matthias Tischer: “Wind of Change (The Scorpions)”. In: Songlexikon. Encyclopedia of Songs. Ed. by Michael Fischer, Fernand Hörner and Christofer Jost, http://www.songlexikon.de/songs/windofchange, 12/2011 [revised 10/2013].

[5] Vgl. Hagemann, C. (Ed.) (2020). Southeast Europe in Focus. External Actors Series: Turkey. München: Südosteuropa-Gesellschaft; Jens Bastian (Hg.) (2020). Southeast Europe in Focus. External Actors Series: China. München: Südosteuropa-Gesellschaft; Johanna Deimel (Hg.)(2019). Southeast Europe in Focus. External Actors Series: Russia. München: Südosteuropa-Gesellschaft.

[6] Bešlin: Režim u Kremlju će očekivati od Dodika da otvori balkanski front, in: Al Jazeera Balkans vom 5.3.2022, URL: https://balkans.aljazeera.net/teme/2022/3/5/rezim-u-kremlju-ocekuje-od-milorada-dodika-da-otvori-balkanski-front-u-bih (zuletzt abgerufen am 7.3.2022).

[7] Ausführlicher dazu bei Ammar Ćut: 30 Jahre Unabhängigkeit Bosniens – Wiederholt die Welt ihre Fehler in der Ukraine?, Blog von Ammar Ćut vom 1.3.2022, URL:https://rechtsstaat-bewachen.blogspot.com/2022/03/30-jahre-unabhangigkeit-bosniens.html?m=1&fbclid=IwAR1Se67iM1JaaMVeTTc2kbVyD-XmzaNC-OwiDaA1v6FOo2fI3AgMYTR2gbQ (zuletzt abgerufen am 7.3.2022).

[8] Die Linke: Gregor Gysi empört über Empathielosigkeit von Parteikollegen, in: ZEIT ONLINE vom 1.3.2022, URL: https://www.zeit.de/politik/deutschland/2022-03/linke-gregor-gysi-sahra-wagenknecht-russland-ukraine-krieg (zuletzt abgerufen am 1.3.2022).

[9] Micha Brumlik: Der russische Faschist Alexander Dugin: Der Philosoph hinter Putin, in: taz.de vom 4.3.2022, URL: https://taz.de/Der-russische-Faschist-Alexander-Dugin/!5836919/ (zuletzt abgerufen am 7.3.2022).

[10] Jaschik leitet ein: „Als Marxist*innen und Sozialist*innen teilen wir nicht die Überzeugung, dass Sanktionen ein Mittel sind, den Krieg in der Ukraine zu beenden oder die Fähigkeit haben, Russland zu der Einsicht zu zwingen, seine militärischen Operationen zu beenden.“ Dies suggeriert, es handle sich um einen Krieg zwischen zwei Ländern, bei dem es zwei genuin kriegsführende Seiten gebe – und nicht unbedingt um eine Seite, nämlich Russland, die allein den Angriff zu verantworten hat, sondern stattdessen hier nur „militärische Operationen“ durchführe. Jens Jaschik: Warum Sozialist*innen Sanktionen ablehnen, in: Sozialistische Organisation Solidarität vom 4.3.2022, URL: (zuletzt abgerufen am 5.3.2022).

[11] Niall Mulholland: Ukraine und die nationale Frage, in: in: Sozialistische Organisation Solidarität vom 6.3.2022, URL: https://solidaritaet.info/2022/03/ukraine-und-die-nationale-frage/ (zuletzt abgerufen am 7.3.2022).

[12] Fatih Yaşlı, Autor auf dem linken türkischen Portal Sol, weist dies jedoch zurück: Fatih Yaşlı: Türkiye solundaki Rusçuluk hastalığı, in: Sol vom 2.3.2022, URL: https://haber.sol.org.tr/yazar/turkiye-solundaki-rusculuk-hastaligi-327959 (zuletzt abgerufen am 7.3.2022).

[13] Jonathan Littell: War brought Vladimir Putin to power in 1999. Now, it must bring him down, in: The Guardian vom 3.3.2022, URL: https://www.theguardian.com/commentisfree/2022/mar/03/vladimir-putin-ukraine-war-chechnya?CMP=Share_iOSApp_Other&fbclid=IwAR2JpZsORTqhvG6uLFqUvmaCAmBn5h_l9xTa6LB3Y9ML1mOGzIDfSA0K5DQ (zuletzt abgerufen am 4.3.2022).

[14] Peter Mücke: Ukraine-Krieg: Die Doppelrolle der Kryptowährungen, in: tagesschau.de vom 8.3.2022, URL: https://www.tagesschau.de/wirtschaft/finanzen/kryptowaehrungen-ukrainekrieg-101.html (zuletzt abgerufen am 8.3.2022).

[15] Miesbach: Landrat zu Oligarchen-Debatte: Enteignung prüfen, in: Augsburger Allgemeine vom 4.3.2022, URL: https://www.augsburger-allgemeine.de/bayern/miesbach-landrat-zu-oligarchen-debatte-enteignung-pruefen-id61960701.html?fbclid=IwAR2vWO0I_S2pfggvwWMfAMzxvVDPLqydJC_AqLVQ6AAUiefKKSiOHY4I_5s (zuletzt abgerufen am 7.3.2022).

[16] Das Thema der Mehrfachstaatsbürgerschaften ist eine der Hauptarenen, an denen sich die Transformation von Nationalstaatlichkeit beobachten lässt, und zwar auf globaler Ebene. Auf dem Balkan und in der Türkei ist dieses Thema auch im türkisch-bosniakisch-serbisch-montenegrinisch-kosovarisch-nordmazedonischen Verhältnis ein ‚Biggie‘; in der Türkei etwa interessieren sich viele Nachkommen von Auswanderern für die Staatsbürgerschaft ihrer europäischen Herkunftsländer, wobei sehr viele von ihnen keinesfalls als Unterstützer:innen des AKP-Regimes gelten dürfen. Zur aktuellen Zypern-Debatte vgl. Isabel Gotovac: Zypern berät Konsequenzen: Das Zittern der russischen Oligarchen, in: tagesschau.de vom 3.3.2022, URL: https://www.tagesschau.de/ausland/europa/zypern-193.html (zuletzt abgerufen am 8.3.2022).

[17] Mikhail Khodorkovsky: History demands the west deploy every legal and financial weapon against Putin, in: The Guardian vom 3.3.2022, URL: https://www.theguardian.com/commentisfree/2022/mar/03/history-west-legal-financial-putin-war-crimes-ukrainians-russia (zuletzt abgerufen am 4.3.2022).

[18] Inna Hartwich: Russlands Geldadel: Die leisen Worte der Oligarchen, in: taz vom 5.3.2022, URL: https://taz.de/Russlands-Geldadel/!5838960/ (zuletzt abgerufen am 7.3.2022).

[19] Genauer dazu bei Marie Lavigne (1999). The Economics of Transition: From Socialist Economy to Market Economy (Second Edition). Houndmills (UK): Palgrave Macmillan.

[20] Andrej Subow und Andrej Nekrassow: Wer kann Putin noch aufhalten?, дekoder vom 4.3.2022, URL: https://www.dekoder.org/de/article/putin-krieg-ukraine-regime-stabilitaet (zuletzt abgerufen am 7.3.2022).

[21] Jens Jaschik: Warum Sozialist*innen Sanktionen ablehnen, in: Sozialistische Organisation Solidarität vom 4.3.2022, URL: (zuletzt abgerufen am 5.3.2022).

[22] Andreas Heinrich und Heiko Pleines: Analyse: Die politischen Herausforderungen eines Erdölbooms: Ressourcenfluch und politische Stabilität in Russland, in: bpb.de vom 19.6.2012, URL: https://www.bpb.de/themen/europa/russland-analysen/138764/analyse-die-politischen-herausforderungen-eines-erdoelbooms-ressourcenfluch-und-politische-stabilitaet-in-russland/ (zuletzt abgerufen am 8.3.2022).

[23] Inna Hartwich: Russlands Geldadel: Die leisen Worte der Oligarchen, in: taz vom 5.3.2022, URL: https://taz.de/Russlands-Geldadel/!5838960/ (zuletzt abgerufen am 7.3.2022).

[24] Mohssen Massarrat: Zynisches Spiel, in: Freitag vom 4.4.2003, URL: https://www.freitag.de/autoren/mohssen-massarrat/zynisches-spiel (zuletzt abgerufen am 7.3.2022).

[25] Daniel Schulz: Angriffskrieg auf die Ukraine: Korruption und Kolonialismus, in: taz vom 5.3.2022, URL: https://taz.de/Angriffskrieg-auf-die-Ukraine/!5836957/ (zuletzt abgerufen am 7.3.2022).

Hinterlasse einen Kommentar

Website bereitgestellt von WordPress.com.

Nach oben ↑