Reflexionen, Kommentare und andere Zustände der Welt
Das Jahr endet mit einem rite de voyage: Kurz vor den Hochfesten fahren die Leute durchs Land. Es wird Weihnachten, und da fährst auch du ins Francorum. Natürlich war mit einer Bahnverspätung um 30 Minuten locker zu rechnen: geschenkt. Wir bitten um Entschuldigung, sagt die Bahn. Danke, das Ticket hat 90 Euro gekostet, denkt sich... Continue Reading →
Meine Gedanken zum zurückliegenden Jahr 2020 sind nicht tröstlich. Aber sie sind, wie ich finde, erbaulich -- was auf mehr als Trost hinausläuft. Und in diesem Fall ist mehr wahrscheinlich tatsächlich besser als weniger.
Den "Zeitgeist" könnte man als Bild wie ein großes Triptychon in drei Aspekte gliedern: der erste Flügel zeigte das Geborensein oder die Natalität: unsere Kindheit. Im Mittelteil wäre die Lebensblüte oder Vitalität abgebildet: unsere Berufstätigkeit. Drittens, in der Jetzt-Zeit, ginge es um das Lebensende, wo eine Stimmung der Morbidität vorherrschte: Rente, Ende des Systems und Tod. Doch was soll daran jetzt erbaulich sein?
November war ein bald gelber, bald orangeroter Monat. Ich beobachtete, wie eine fränkische Kirsche den aufgestauten Dürrestress aus sich herausfließen fließ — doch dabei orakelte sie auf abhorrente Weise das Antlitz des US-amerikanischen Trash-Präsidenten.
Es waren keine Gäste dabei, es gab kein Buffet und keine Feier — dafür gab es aber auch keinerlei Nervosität, kein Lampenfieber und keinen Stress. Es war, wie es war — und jetzt war es um. Heinrich Heine aber blieb: ich las und schrieb immer weiter.
Im Osternest lag dieses Mal wertvolles Desinfektionsspray für die Hände, und auch ansonsten war alles anders. Es zeigte sich ein Supervollmond, die Natur erwachte mit voller Kraft, und der Anblick der Schlüsselblumen bewirkten bei mir eine innere Zeitreise zurück zur ersten selbst erlebten Katastrophe: Tschernobyl.
Im März dann der Schock: das Klopapier war alle! Corona war jetzt vollkommen da. Der Hashtag #StayTheFuckHome avancierte zum Gebot der Stunde, die EuropäerInnen klatschten dem Krankenhauspersonal von den Balkonen, und ich fuhr in einem gespenstisch leeren ICE durch gleißenden Sonnenschein in die Rhön.
Meine Gedanken zum zurückliegenden Jahr 2020 sind nicht tröstlich. Aber sie sind, wie ich finde, erbaulich -- was auf mehr als Trost hinausläuft. Und in diesem Fall ist mehr wahrscheinlich tatsächlich besser als weniger.
Inkubator M e t a m o r φ 
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