[Heine-Projekt] 5.2 Zwischen Ausnahmejudentum und Rebellion

Laut Hannah Arendt blieb die Dynamik der gesellschaftlichen Antipathie oder Anziehung, des Antisemitismus und Philosemitismus für das gesamte 19. Jahrhundert bestimmend, was sie als Reaktion auf die zunehmende Angleichung jüdischer Lebensverhältnisse an die Umwelt zurückführt: je gleicher — das heißt: assmilierter — die Juden in Deutschland bzw. Europa wurden, „desto erstaunlicher erschienen der Umwelt die Unterschiede zwischen ihr und ihren jüdischen Mitbürgern.“57 Diese Dynamik habe zwar „die gesellschaftliche Atmosphäre vergiftet„, „einen unschuldigen Verkehr zwischen Juden und Nichtjuden nahezu unmöglich gemacht“ und „einen jüdischen Typus oder typisch jüdisches Verhalten“ hervorgebracht; dies sei aber relativ harmlos geblieben, weil die Gesellschaft ohnehin in verschiedene Gruppen fragmentiert war, und weil es Gleichheit in Preußen nie gegeben hatte.58 Bestimmend für den „jüdischen Typus“ sind die bereits genannten Figuren des Paria, des Parvenü und des Ausnahmejuden.

Was nun Heinrich Heine betrifft, so war er dem Druck, diesem Typus in der ein oder anderen Ausprägung zu entsprechen, in Deutschland nicht weniger ausgesetzt als alle anderen Juden. Doch Heine entzog sich letztlich dem jüdischen Typus, worin seine eigentliche Rebellion besteht. Um dies besser zu verstehen, sollen im folgenden einige Schlaglichter auf Hannah Arendts Betrachtungen darüber geworfen werden, was Ausnahmejuden zu solchen machte und welcherlei die Dynamik im weiteren gesellschaftlichen Gewebe rund um die Berliner Salons war, dem zentralen lieu von Gesellschaft für nichtjüdische wie jüdische Schriftsteller der Aufklärung des späten 18. und frühen 19 Jahrhunderts — bis hinein in die Romantik, als schließlich antijüdische Organisationen wie die Christlich-deutsche Tischgesellschaft gegründet wurden, die der „gemischten Geselligkeit“ (Arendt) ein Ende bereiteten.

Ausnahmejuden und gewöhnliche Juden

Wahre gesellschaftliche Anerkennung hat es für Juden nie gegeben, so Arendt, und relative Anerkennung war nur über den Preis zu erlangen, dass sich diese Juden „klar als Ausnahmen von den jüdischen Massen abhoben“ — dass sie sich assimilierten, ohne je ganz dazu gehören zu können, denn Gleichheit bzw. Gleichberechtigung blieb ihnen verwehrt. Dabei ist die Unterscheidung zwischen gesellschaftlicher und politischer Gleichberechtigung wesentlich:

Wann immer die Gesellschaft sich einer politisch und beruflich gesicherten jüdischen Gleichberechtigung gegenübersah, hat sie gesellschaftliche Gleichberechtigung gerade verweigert. Sie hat nie Juden, immer nur Ausnahmen des jüdischen Volkes — Ausnahmejuden — die Türen der Salons geöffnet.59

Man war als Ausnahmejüdin vielleicht sogar gesellschaftlich im Kreis des literarischen Salons akzeptiert: doch das bedeutete nicht, dass man außerhalb des Salons gleiche politische Rechte haben durfte. Dabei galt umgekehrt,

daß die Juden, wenn man sie auch ermahnte, sich nicht wie „gewöhnliche Juden“ aufzuführen, nur akzeptiert wurden, weil sie Juden waren.60

Dies galt auch und insbesondere für Juden, die ernsthafte Freundschaften mit Humanisten (wie zum Beispiel Herder oder Goethe) führten, weil Juden besonders geeignet waren, am praktischen Beispiel öffentlicher Zuneigung zu zeigen, „daß alle Menschen Menschen sind„. Und „Juden waren dafür besonders geeignet, gerade weil sie einem verachteten, unterdrückten Volke entstammten.61

Der demoralisierenden Forderung, sich von dem eigenen Volke zu distanzieren, verband sich die nur verlogen zu realisierende Bedingung, anders und besser als alle anderen zu sein. Und da dies, und nicht die Taufe, eigentlich das Entreebillet zur Gesellschaft bildete, kamen die Juden, so gut sie konnten, beiden Forderungen nach.62

Unter „jahrtausendealter Unerfahrenheit“ mit Politik und „Naivität„, von der sie wiederholt schreibt, ist bei Arendt unter anderem die unpolitische Haltung der Salonteilnehmerinnen gemeint, die trotz oder gerade wegen ihrer erreichten sozialen Stellung nicht politisch wurden:

In den jüdischen Salons vollends, in denen eine Generation später Mendelssohns Tochter, Dorothea Schlegel, Henriette Herz und Rahel Levin (Varnhagen) eine wirklich gemischte Geselligkeit versammelten, war, was an jüdisch-politischem Interesse noch etwa bei der älteren Generation vorhanden gewesen war, völlig erloschen. Sie sind bereits der Meinung, daß jede öffentliche Diskussion der Judenfrage, daß vor allem jede staatliche Maßnahme, welche zwangsweise die gebildeten jüdischen Individuen mit den „rückständigen“ Juden zusammen befreien würde, ihre Situation nur verschlechtern könnte. Je näher solch eine Emanzipation nach dem Sieg Napoleons über Preußen und den einsetzenden preußischen Reformen rückte, desto größer wurde die Anzahl der Täuflinge. Es war, als wollte das gebildete Judentum Preußens seiner Emanzipation in die Taufe entfliehen.63

Die Berliner Aufklärung wäre ohne die Salons überhaupt nicht vorstellbar, und es ist umso bemerkenswerter, dass ein beträchtlicher Teil jener Salons von jüdischen Frauen geführt wurden, die oft mit christlichen Männern verheiratet waren. Die Berliner Aufklärung insgesamt ist nicht ohne die Beteiligung der jüdischen Aufklärung (Haskala) denkbar, deren Begründer in Deutschland und bekanntester Name bis heute Moses Mendelssohn ist, dessen Tochter Dorothea ebenfalls eine prominente Salonnière war, die den Romantiker Friedrich Schlegel heiratete und zuerst zum Protestantismus, dann zum Katholizismus konvertierte. Für die hohe Beteiligung von Jüdinnen und Juden am literarischen und geistigen Leben in Berlin sowie die vielen Mischehen und Konversionen war einerseits der beschriebene Zwang, „besser sein zu müssen“ verantwortlich, andererseits aber auch eine außerjüdische Figuration zwischen Adel und Bürgertum mitbestimmend, wie Arendt schreibt:64

Allgemein ist zu sagen, daß während des ganzen 19. Jahrhunderts die außerordentliche Aversion des europäischen Adels gegen das Bürgertum und seine noch größere Angst vor der politischen Konkurrenz der immer mächtiger werdenden Klasse dem Judentum gewisse Chancen bot. Es war immer noch angenehmer und sicher ungefährlicher, sich mit dem Gelde eines jüdischen Bankiers zu helfen, als einen Schwiegervater aus der Großindustrie zu akzeptieren, der entweder selbst gerne ins Parlament wollte oder dessen Söhne politische Karrieren einzuschlagen wünschten. Vor solchen inopportunen Ambitionen war man bei den Juden sicher.65

Außerdem nennt Arendt einen weiteren Umstand, den Pierre Bourdieu später mit dem Begriff des Habitus und der Wahlverwandtschaften bezeichnen würde — und in demselben Sinn könnte man den Salon als Feld visualisieren66:

Die eigentümliche Intimität aber, das unmittelbare Sichverstehen, die rein persönlichen Freundschaften, welche so unerwarteterweise die Söhne aus adligen Häusern mit den Töchtern des jüdischen Mittelstandes verbanden, hatten nur indirekt mit der Verbreitung der Aufklärung zu tun. Wesentlicher war, daß die persönlichen Probleme dieser gebildeten Juden mit den persönlichen Problemen der jungen, bildungshungrigen preußischen Aristokratie grundsätzlich identisch waren. Beide wollten eine individuelle — und nicht eine politische Emanzipation, und beiden stand als größtes Hindernis der feste Familienverband entgegen, in welchem sie in erster Linie ein Glied der Familie und nur sekundär selbständige Personen waren. Individuelle Assimilation der Juden, individuelle Emanzipation der Adligen bedeutete, aus diesem Familienverband herauszutreten und eine von der Familie unabhängige Person werden.(…) Was diese Menschen miteinander verband, war das rein Persönliche; und die kurze gesellschaftliche Blütezeit in Preußen kam gerade dadurch zustande, daß weder die jüdischen Frauen noch die adligen Männer irgendwelche politischen Ziele hatten. Sie waren beschäftigt mit ihrer persönlichen Entwicklung, ihrer éducation sentimentale, ihrem Bildungsroman.67

Es ist wesentlich für den gesellschaftlichen Stand und das Ansehen der Ausnahmejuden, so Arendt, dass es immer die jüdische Vergleichsgruppe der „gewöhnlichen Juden“ gab, gegen die sich die Ausnahmejuden abgrenzen konnten, um überhaupt als Ausnahmen erscheinen zu können: im Fall Preußens waren das die Posener Juden, in Österreich die galizischen Juden und im französischen Fall die Elsässer Juden, die dort als „gewöhnliche Juden“ den privilegierten Juden Aquitaniens und Avignons gegenüberstanden. Es konnte durchaus im Interesse der privilegierten Ausnahmejudenschaft liegen, dass eine auch rechtliche Zweiteilung in privilegierte und nichtprivilegierte Juden fortbestand: wie Arendt feststellt, hatten die Juden Avignons und Bordeauxs „in den Jahren der Revolution vergeblich gefordert„, dass diese sie selbst privilegierende Unterscheidung gewahrt würde, die schließlich mit Napoleons Décret Infâme (wenn auch entgegen der eigentlichen Zielvorstellung) wiederhergestellt wurde. Dasselbe Jahr war auch für die preußischen Juden entscheidend:

Das gesellschaftliche Judenparadies in Preußen — jene kurze Zeitspanne, da der alte Judenhaß wirklich abgetan und der moderne Antisemitismus noch nicht geboren war, da Antisemitismus wirklich, und nicht nur in den Köpfen der Juden, als eines gebildeten Menschen unwürdig galt — nahm in genau dem gleichen Jahre ein definitives Ende, in welchem das Décret Infâme Napoleons dem politischen Judenparadies in Frankreich ein vorübergehendes Ende bereitete.68

Preußen hatte nach dem Vierten Koalitionskrieg (1806-1807) gegen Napoleon und dem Frieden von Tilsit (1807) erhebliche Gebietsverluste hinzunehmen, besonders im Süden und Osten, wo auch die meisten „gewöhnlichen Juden“ (die Posener Juden) lebten oder von wo die in Städten wie Berlin arbeitende, „gewöhnliche jüdische“ Bevölkerung kam. Im Jahr 1808 (Arendt schreibt 1809) verabschiedete Friedrich Wilhelm III. die Preußische Städteordnung69, die den preußischen Schutzjuden Friedrichs II. die bürgerlichen (nicht aber die politischen) Rechte zusprach, gefolgt vom Emanzipationsdekret im Jahr 1812. Wohlgemerkt betraf die Städteordnung nur die städtisch-jüdische Bevölkerung, die Emanzipation jedoch ganz Preußen, was aber durch die Abwesenheit der Posener Juden nicht ins Gewicht fiel. Hannah Arendt sieht diese Entwicklung im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Verlust der Posener Juden, da man so die ohnehin privilegierten und dem Staat nützlichen Juden besser stellen konnte, „ohne die Masse der jüdischen Hausierer und Handwerker zu befreien„; nachdem jedoch Preußen nach dem Wiener Kongress von 1814/15 Posen und einen Großteil der jüdischen Bevölkerung zurückgewann, wurde die Emanzipation sofort wieder aufgehoben und nur die Städteordnung beibehalten.70

Der vorübergehende Wegfall der Posenschen Judenschaft bedeutete für die preußischen Schutzjuden, die bisher nicht mehr als zwanzig Prozent von Preußens Gesamtjudenbestand ausgemacht hatten, daß die breite Kulisse armer und ungebildeter Juden wegfiel, von der sich diese Ausnahmejuden so vorteilhaft abgehoben hatten.71

Preussen-1806

Die blauen Gebiete auf der Karte zeigen die von Preußen abgetretenen Gebiete, darunter das Gebiet um Posen direkt östlich von Brandenburg und nördlich von Schlesien. Bildquelle und Attribution: O. Meinke / Public domain, URL https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Preussen-1806.jpg

Der neue Antisemitismus der deutschen Romantiker

Die Atmosphäre in Berlin sollte sich dadurch erheblich verändern, denn nun wurden aus Ausnahmejuden wieder „ganz einfach Juden, nicht Ausnahmen, sondern eher Vertreter des verachteten Volkes72 — mit folgeschweren Auswirkungen bis hinein in die Berliner Salons:

Nach der preußischen Niederlage verließ die Gesellschaft die jüdischen Salons mit einer Plötzlichkeit ohnegleichen. Im Jahr 1808 finden wir sie schon in den Häusern des Beamtenadels und des höheren Mittelstandes. Die Brentano und Arnim und Kleist, ja selbst die ältere Generation der Schlegel und Gentz, werden mehr oder minder antisemitisch, richten ihre Judenverachtung gegen die ihnen bekannten Berliner und nicht mehr gegen die ihnen unbekannten posenschen Juden. Seit der politischen Romantik haben die Gebildeten Deutschlands keine große Diskretion in der Judenfrage mehr gekannt. Ihr Takt wurde bald so schäbig, daß er einer Beleidigung zum Verwechseln ähnlich sah. Keine noch so große Masse von „Ostjuden“ diesseits oder jenseits der deutschen Grenzen hat dem armen Häuflein assimilierter Juden mehr zu einem kollektiven Ausnahmebewußtsein verhelfen können. Von nun ab mußte jeder einzelne beweisen, daß er, obwohl Jude, doch kein — Jude war.73

Heinrich Heines Rebellion gegen die Romantische Schule, seine Spitzen gegen der Romantiker Hinwendung zum Mittelalter — zu einem ganz und gar nicht judenfreundlichen Mittelalter — müssen in diesem Kontext gelesen werden: das Mittelalter und die Mittelalterschwärmerei der Romantiker musste aus der Sicht eines Juden, der Einführung und Zurücknahme der Judenemanzipation erlebt hat, der sich bestens mit den Texten der Aufklärung und des deutschen Idealismus auskannte, als stellvertretende Chiffre für Rücknahme der Emanzipation und Bejahung der Diskriminierung gelesen werden (ausführlicher zum Thema Mittelalter in Kapitel 6).

Hannah Arendt widerspricht sich nicht, wenn sie einerseits zwischen Judenhass und modernem Antisemitismus unterscheidet, um an anderer Stelle zu schreiben, der moderne gesellschaftliche Antisemitismus, „seine Sprache und seine Argumente sind ebenso alt wie die Assimilation„, wie am Beispiel des Textes Wider die Juden des Autors Carl Friedrich Grattenauer aus dem Jahr 180374: es gibt allerdings einen Unterschied in der Verbreitung und Popularität solcher Texte, und diese nahmen laut Arendt ab 1808 zu. Clemens Brentano jedenfalls hat Grattenauers Text in seiner eigenen Schrift Der Philister vor, in und nach der Geschichte perzipiert, wo er Juden und Philister gleichsetzt, und Brentano war außerdem bekannt für seine weiteren antijudaistischen und antisemitischen Ausfälle. Dafür steht insbesondere die deutschtümlerische Mitgliedschaft in der Deutschen Tischgesellschaft (auch: Christlich-deutsche Tischgesellschaft), die eindeutig antijüdisch ausgerichtet war.75

Brentano2

Clemens Brantano. Bildquelle und Attribution: Emilie Linder / Public domain, URL: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/5/5c/Brentano2.jpg

Dort war auch Achim von Arnim Gründungsmitglied, mit dem zusammen Brentano Des Knaben Wunderhorn herausgegeben hat. Auch er war ein ausgesprochener Antisemit — weshalb es auch erstaunlich ist, dass Heine in der Romantischen Schule darauf überhaupt nicht eingeht, obwohl er Arnim ausführlich bespricht.76 Darin sieht Marco Puschner eine Analogie zu einem lange vorherrschenden, werkimmanenten Literaturverständnis, das Arnims Antisemitismus sowie generell alle politischen Implikationen dichterischer Texte ausgeblendet habe, weil „Dichtung […] nicht als Abglanz von irgend etwas anderem, sondern als in sich geschlossenes sprachliches Gefüge77 zu verstehen sei, sodass Achim von Arnims Antisemitismus „nur als unerfreulicher Appendix, nicht jedoch als inhärenter Bestandteil seines politischen Weltbildes verstanden“ worden sei.78

Doch genau das war bei Arnim und Brentano der Fall, so Arendt, die sich in folgendem Zitat auf Clemens Brentano bezieht:

Wesentlicher ist, daß in diesem gesellschaftlichen Antisemitismus zum ersten Mal die Rede von dem Juden ist, nämlich „von keinem jüdischen Individuo, sondern vom Juden überhaupt, vom Juden überall und nirgends“. Diese und ähnliche Redewendungen von dem Juden als einem Prinzip kehren dann das ganze 19. Jahrhundert lang stereotyp wieder.79

Die Christlich-deutsche Tischgesellschaft, die Achim von Arnim als „Freßgesellschaft“ gründete, war ein

markantes Kontrastprogramm zu jenen „Begegnungsstätten“, die unter der Regie von Rahel Levin und Henriette Herz Berlins kulturelle Blüte um 1800 geprägt hatten. Während in diesen Salons versucht wurde, die politische Benachteiligung der Juden auf gesellschaftlicher Ebene zu kompensieren, ging die Tischgesellschaft gleichsam den umgekehrten Weg: Sie verbannte die Juden just zu jenem Zeitpunkt aus dem Kreise fröhlicher Geselligkeit, als die lange unterdrückte Minderheit auf der politischen Ebene endlich auf eine Verbesserung ihrer Situation spekulieren durfte.80

Es sollte bei dieser Freßgesellschaft durchaus um politische Fragen und um die deutsche Zukunft gehen, weshalb es auch keinen Sinn machen würde, Texte, die dort vorgelesen wurden, nur werkimmanent zu betrachten, und sie nicht als Teil dessen zu verstehen, was die Tischgesellschaft war: ein konkreter Schritt romantischer Schriftsteller wie Brentano und Arnim hinein in die Sphäre der Politik und Weltanschauung, die antisemitisch war. Selbst getaufte Juden waren durch die Satzung der Gesellschaft ausgeschlossen, ebenso wie Frauen und Franzosen. In der Forschung ist umstritten, wie vordergründig Arnim in der Ausschlussklausel war, nachdem er sie einmal als „tadelswerth“ bezeichnet hatte.81 Allerdings hielt Achim von Arnim in der Tischgesellschaft eine Rede mit dem Titel Ueber die Kennzeichen des Judenthums, die laut Marco Puschner „als „frühes Dokument der Erfindung deutscher Identität“(…) und als „schlimmste[r] antisemitische[r] Text der deutschen Romantik„(….) zugleich gelesen werden muß.“82

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Fußnoten

57. Arendt, Hannah (2003): Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft, S. 140.

58. Ebda, S. 139-140.

59. Ebda, S. 141-142.

60. Ebda, S. 144.

61. Ebda, S. 144.

62. Ebda, S. 146.

63. Ebda, S. 147.

64. Allerdings gab es zu Heines Zeiten noch keine Großindustrie, von der Arendt hier schreibt — wohl aber eine aufstrebende Bürgerschaft.

65. Arendt, Hannah (2003): Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft, S. 150.

66. Vgl. Bourdieu, Pierre: Ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital, soziales Kapital, in : Soziale Welt, Sonderband 2. Kreckel, Reinhard (Hrsg.): Soziale Ungleichheiten, Göttingen 1983, S. 183-198 sowie Ders. (2001): Das politische Feld: zur Kritik der politischen Vernunft. Konstanz: UVK-Verlagsgesellschaft.

67. Arendt, Hannah (2003): Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft, S. 151.

68. Ebda, S. 153.

69. Eine gescannte Version des Textes ist online abrufbar: URL: https://www.lwl.org/westfaelische-geschichte/que/normal/que1028.pdf (zuletzt abgerufen am 4.8.2020).

70. Arendt, Hannah (2003): Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft, S. 154.

71. Ebda, S.154.

72. Ebda, S.155.

73. Ebda, S.155.

74. Arendt geht jedoch vom Erscheinungsjahr 1802 aus, was entweder ein einfacher Fehler ist, oder Gründen geschuldet ist, die sich mir nicht erschließen.

75. Genauigkeit mit Jahreszahlen ist allerdings nicht Hannah Arendts größte Stärke. Laut Arendt hat Brentano den Text Der Philister vor, in und nach der Geschichte für die Christlich-deutsche Tischgesellschaft geschrieben. Auch hier irrt sich Arendt jedoch im Datum, denn sie schreibt, im Gegensatz zur breiten Sekundärliteratur zur Tischgesellschaft, dass diese im Jahr 1808 gegründet worden sei; andernorts wird das symbolträchtige Datum des 18.01.1811 als Gründungsdatum angegeben, welches auch der Krönungstag der preußischen Monarchie war. Es ist dokumentiert, dass Brentano im März 1811 seinen antijüdischen Text als Tischrede vorgelesen und anschließend in einer Auflgae von 200 Exemplaren hat drucken lassen. In jedem Fall liegt die Gründung der Tischgesellschaft jedoch nach den Verlusten gegen Frankreich. Günter Oesterle, der sich mit dem Antisemitismus der Tischreden befasst hat, stellt fest, dass es stets im Zuge politischer oder kriegerischer Krisen zu einer Verschärfung der Angriffe gegen Juden gekommen sei. Arendt, Hannah (2003): Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft, S.155 sowie Oesterle, Günter: Juden, Philister und romantische Intellektuelle. Überlegungen zum Antisemitismus in der Romantik, in: Athenäum — Jahrbuch der Friedrich Schlegel-Gesellschaft, Heft 02/1992, online zugänglich über den edoc-Server der HU Berlin, URL: https://edoc.hu-berlin.de/handle/18452/6222?show=full (zuletzt abgerufen am 5.8.2020).

76. Er bespricht ihn in seiner typischen ambivalenten Haltung, die den Leser zuerst zu überzeugen scheint, dass Heine von Arnim mit tiefer Unsympathie gegenüber steht, wenn er schreibt: „Er war kein Dichter des Lebens, sondern des Todes„, um ihn dann für die „Arnimsche Grazie“ zu loben, die „wie das Lächeln eines Kindes“ sei. Heine, Heinrich (1995 [1835]): Die Romantische Schule, S. 116 ff.

77. Puschner, Marco (2008): Antisemitismus im Kontext der Politischen Romantik. Tübingen: Max Niemeyer Verlag, S. 227.

78. Ebda, S. 231.

79. Arendt, Hannah (2003): Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft, S. 157.

80. Puschner, Marco (2008): Antisemitismus im Kontext der Politischen Romantik, S. 272-273.

81. Ebda S. 273-274.

82. Ebda, S. 283.

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