[Travelogue] Vor der Vječna Vatra in Sarajevo

Es ist Donnerstagabend, wenige Stunden nach meiner verspäteten Ankunft in Sarajevo. Direkt nach Ankunft habe ich mich auf mein Bett im Hotel Grand geworfen und für ein paar Stunden ausgeruht, um anschließend noch Materialien für die Reisegruppe unserer Balkanbiro-Studienreise Auf den Spuren der jugoslawischen Partisan:innen durch Bosnien-Herzegowina auszudrucken. Am Samstagabend würde es losgehen. Morgen hätten... Continue Reading →

[Bosnia] Symposion der Südosteuropa-Gesellschaft: Jugend als Fiktion und Wirklichkeit

Am 25. Februar 2022 hatten Emina Haye und ich die Gelegenheit, unser Blog- und Buchprojekt Bosnien in Berlin (BiB) auf einem Symposium der jährlichen Sitzung des wissenschaftlichen Beirats der Südosteuropa-Gesellschaft (SOG) in Berlin vorzustellen. Die SOG (mit Sitz in München) ist eines der Flaggschiffe auf dem Gebiet der politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und wissenschaftlichen Beratung und... Continue Reading →

[Bosnia] Am 20. Januar 18:00 Uhr: Hat Europa weggeschaut? Europäische Solidarität mit Bosnien 1992-1995

Die Internationale Gemeinschaft hat während des Krieges in Bosnien-Herzegowina (BiH) weggeschaut und nicht in den Krieg eingegriffen – so der Vorwurf, der sowohl in Bosnien-Herzegowina als auch im Rest Europas laut wurde. Viele fühlten sich von der europäischen Politik alleine gelassen, obwohl sich die meisten Bosnier:innen doch selbst als Teil Europas sahen und sehen. Trotzdem... Continue Reading →

[Bosnia] Sevdah und die Würdigung schrankenlosen Sentiments

Bisher habe ich den vollständigen Text meines erheblich umgearbeiteten Blogposts über Sevdah, Sevdalinka und den Sarajevoer Künstler Damir Imamović auf meiner Homepage noch nicht veröffentlicht, sodass er bisher Leser:innen der Südosteuropa Mitteilungen 5 (2020) der Südosteuropa-Gesellschaft vorbehalten war. Dort war er als Kultur-Essay vor fast genau einem Jahr erschienen, und zwar unter dem Titel Über die Sevdah, den bosnischen Künstler Damir Imamović und die Würdigung „schrankenlosen Sentiments“. In den folgenden Abschnitten kann die Einleitung gelesen sowie im Anschluss der gesamte Essay als PDF heruntergeladen werden. Ich plane außerdem, ihn auf der Seite unseres Buch & Blogs Bosnien in Berlin zu veröffentlichen, weil es dort noch in anderen Zusammenhängen -- und aus der Feder mindestens einer anderen Autorin -- um Sevdah gehen wird. Auch im Projekt Hermannova ist die Sevdah ein beachtenswertes Phänomen: neben dem urbanen, kosmopolitischen Berlin-Neukölln geht es dort auch um das rurale, multiethnische, bosnische Krivajatal. In den dortigen Traditionen und Alltagspraktiken kommt es neben dem eher abgetrennten, kulturellen Nebeneinander auch zu zahlreichen Zusammenflüssen, Synkretismen und 'Hybridität'. Letztere ist auch das Hauptmerkmal von Sevdah, weshalb ich sie auch als das bosnische Genre schlechthin bezeichnen würde. Ich will hinzufügen, dass mich in dieser Hinsicht auch die "Lieder der Kafana" (kafanske pjesme) zu einem eigenen Beitrag reizen, worüber hoffentlich noch zu schreiben und lesen sein wird; die Schnittmenge der Kafana-Lieder mit den Sevdalinke sowie mit der Romska Muzika (der Musik der Roma) wird in diesem Essay zwar angesprochen, verdient aber zweifellos weitere Vertiefung. Vor dem PDF-Link ganz unten in diesem Beitrag füge ich im Folgenden den Einleitungstext ein. Für Fragen, Hinweise, Kommentare etc. findet sich unter den Fußnoten ein Kontaktformular. Falls Euch der Beitrag gefällt, freue ich mich, wenn Ihr ihn mit potenziellen weiteren Interessierten in Euren Netzwerken teilt. Mein besonderer Dank gilt Damir Imamović, dessen öffentliche Lesung über die zehn meist verbreiteten Irrtümer über Sevdah (s. Beitrag) zentral für diesen Essay war.

[Neopopulismus] Zensur in Serbien: die „realistische Perspektive“ ist jetzt da

Dieser Kommentar entsteht als Echo auf einen Beitrag unter dem Titel Serbia's War on Free Media is Moving to 'Street Level' des Journalisten Milenko Vasovic, veröffentlicht auf Balkan Insight am 30.11.2021. Darin wird eine progressive Entwicklung der direkten, immer brutaleren Unterdrückung der Presse beschrieben, die unter dem Regime des derzeitigen serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić eine... Continue Reading →

[Feld] Die Texte der Anderen und die Angst vor Unordnung

Der Fastenmodus macht das Denken viel klarer, bewirkt aber auch das zusätzliche Gefühl, einfach sitzen bleiben zu können. Vorgestern abend zum Beispiel war ich mit Sare bei einer Performance im riesigen, erschütterlichen Berliner Kraftwerk. Das Stück hieß Kırkpınar, und wir saßen auf dem Boden, im Kreis um ein (eckigen) Ring, in dem geringt werden sollte. Es gab ein paar Szenen, in denen die beiden Performancekünstler durch das im Kreis sitzende Publikum krabbelten, liefen oder schleppten. Wenn sie vorbei kamen, standen die Leute auf. Ich blieb sitzen. Es würde mich doch ganz bestimmt niemand beißen, gar in den Ring zerren, oder mit einer der herbeigetragenen Eisenstangen erschlagen. Es ist mir auch kein bisschen rätselhaft, wieso Menschen für vierzig Tage in die Wüste gehen, um zu fasten. Gebt mir ein Wüste, da bin ich. Ich ließe dann sogar den Kaffee weg. So etwas tut man eben, wenn man fastet und klar denkt. Ich muss dann nicht darüber nachdenken, was ich als nächstes in mich hineinstopfe: ich frage mich eher: bin ich eigentlich leer genug? Es ist nicht grausam, nichts zu essen. Es ist viel grausamer, in eigenen Maßen klar denken zu müssen. Noch grausamer als der unaufgeräumte Schalenkoffer mit den Sommerklamotten ist mein unaufgeräumter Text, der mich stark beunruhigt. Horror perturbationis. Darin geht es um morbide Sommerwiesen, auf denen alle Insekten schon tot sind -- denn es ist ein wahrer Text.

[Geschichte] Belgrad 4.1: Ein gemeinsamer Lesesaal gegen den methodologischen Nationalismus

In den Beiträgen von Tvrtko Jakovina (Zagreb), Dragan Markovina (Zagreb), Ruža Fotiadis (Berlin) und Dubravka Stojanović am Samstagabend ging es in je unterschiedlicher Gestalt um die konflikthafte Auseinandersetzung mit Orthodoxien -- also behaupteten oder verordneten "Wahrheiten", die in ihrer normativen, bevormundenden Eigenschaft der wissenschaftlichen Methode schlechthin widersprechen: nämlich jener der kritischen Hinterfragung und Überprüfbarkeit durch... Continue Reading →

[Geschichte] Belgrad 3: Literatur und Historiographie unter einem Dach

Wer die gemeinsame Sprache (zajednički jezik) versteht, sich für Zeitgeschichte, Literatur und den Kulturbetrieb interessiert und das weltoffene, kosmopolitische Belgrad sucht, sucht es am besten auf dem Festival KROKODIL. Es wurde in diesem Jahr vom gleichnamigen Verein bereits zum 13. Mal organisiert und fand vom 26. - 29. August 2021 statt. Aufgrund des plötzlichen Schlechtwettereinbruchs, der auf eine wochenlange Hitzeperiode folgte, fand ein großer Teil der Veranstaltungen in diesem Jahr nicht wie üblich im Amphitheater vor dem Museum Jugoslawiens (Muzej Jugoslavije) statt -- sondern in den Räumlichkeiten des Zentrums für kulturelle Dekontaminierung (Centar za Kulturnu Dekontaminaciju) und der Jugoslawischen Kinothek (Jugoslovenska Kinoteka). Wie mir Damir Arsenijević erklärte, seien in diesem Jahr deswegen auch weniger Gäste als sonst auf dem Festival gewesen: bei den Veranstaltungen im Freien bringe es das Festival locker auf über Tausend Menschen im Publikum. Trotzdem erschienen mir alle Veranstaltungen sehr gut besucht.

[Geschichte] Belgrad 2: Jugoslawien als Elefant im Raum

Belgrad war die Hauptstadt des geteilten Staates Jugoslawiens -- und Jugoslawien steht auf dem Festival KROKODIL in Belgrad wie der Elefant im Raum: denn letzten Endes positionieren sich alle revisionistischen Diskurse, mit denen sich die beteiligten HistorikerInnen und Nicht-HistorikerInnen auseinanderzusetzen haben, auf die ein oder andere Weise zum früheren, ge-teilten und dann zer-teilten Staat. Diese... Continue Reading →

[Geschichte] Belgrad 1: HistorikerInnen für den Frieden

Am 28. und 29. August 2021 fand in Belgrad die Konferenz HistorikerInnen für den Frieden (Istoričari za mir) als Teilveranstaltung des 13. Festivals KROKODIL statt. Die Konferenz war gleichzeitig Teil eines größeren Netzwerkprojekts postjugoslawischer und deutscher ProjektpartnerInnen, das den Titel Histoire pour la liberté (Geschichte für die Freiheit) (LINK) trägt. Neben den Gastgebern des Vereins Krokodil - Engaging Words aus Belgrad unter der Federführung von Professorin Dubravka Stojanović sind an dem Netzwerkprojekt die VertreterInnen des Kliofests der Universität Zagreb, des Vereins für moderne Geschichte Sarajevo (UMHIS - Udruženje za Modernu Historiju), sowie des Lehrstuhls für Südosteuropäische Geschichte der Humboldt-Universität zu Berlin beteiligt. Finanziert wird das Projekt von der Europäischen Kommission. Die Teilaktivitäten der Veranstaltungsreihe sind zum größten Teil schon über die Bühne gelaufen, worüber auf diesem Blog bereits jeweils einzeln berichtet worden ist: Zuerst hatte im Mai 2021 in Zagreb die Konferenz WIDER den historischen Revisionismus, FÜR die Revision historischer Erkenntnis (PROTIV historijskog revizionizma, ZA reviziju povijesnih spoznaja) stattgefunden (LINK), gefolgt vom History Fest Sarajevo im Juni 2021 -- unter dem Titel Gesellschaft und Geschichtsschreibung in Südosteuropa -- Von gemeinsamer Vergangenheit zu geteilter Geschichte (Društvo i historiografija u jugoistočnoj Evropi − Od zajedničke prošlosti do podijeljene historije, LINK). Den Abschluss wird am 26. Oktober an der Humboldt-Universität zu Berlin ein Runder Tisch bilden. 

[Geschichte] History Fest Sarajevo: von gemeinsamer Vergangenheit zu geteilter Geschichte

Am 9. Juni 2021 habe ich zusammen mit Kolleginnen aus Berlin und Südosteuropa an der Historikerinnenkonferenz History Fest teilgenommen. Die Veranstaltung fand in der bosnischen Hauptstadt Sarajevo statt: dort wurde sie am Vorabend von Benjamina Karić, der neuen Bürgermeisterin Sarajevos, in der Vijećnica eröffnet. Das History Fest dauert(e) insgesamt vom 8. - 12. Juni 2021 und wurde unter der Federführung von Professor Husnija Kamberović organisiert. Die Veranstaltung fand auf Jezik* statt. Unsere gestrige Veranstaltung kann als eigene Konferenz im Rahmen des History Fests betrachtet werden. Sie trug den Titel "Gesellschaft und Geschichtsschreibung im südöstlichen Europa -- von gemeinsamer Vergangenheit zu geteilter Geschichte".

[Bosnia] Bosnien in Berlin: ein Buchprojekt

Die Idee zum Buch „Bosnien in Berlin“ ist direkt im Anschluss an eine Podiumsdiskussion im Rahmen der Berlin Science Week 2020 @ HU entstanden. Dort flossen unter der Überschrift „Erinnern, Erforschen, Aufarbeiten. Srebrenica in Berlin. Junge Berliner*Innen aus Bosnien oder wie aus Traumata Forschungsthemen werden können.“ fünf verschiedene Perspektiven junger Frauen aus Bosnien-Herzegowina, Serbien und Deutschland zusammen. Trotz des unterschiedlichen Alters und der Verschiedenheit ihrer Erlebnisse teilten sich alle Sprecherinnen eine Gemeinsamkeit: sowohl autobiographisch als auch wissenschaftlich setzen sie sich mit dem Thema des Bosnienkrieges auseinander. Dieser fand vor 25 Jahren sein Ende, nachdem er mit dem Genozid von Srebrenica im Juli 1995 noch einen grausigen Höhepunkt genommen hatte, was auch der Anlass für dieses und ein weiteres Panel der Berlin Science Week war, die beide vom Lehrstuhl der Südslawistik der HU Berlin ausgerichtet und vom Südosteuropa- Historiker Thomas Schad moderiert wurden. Das über die Plattform YouTube abrufbare Gespräch dauerte insgesamt zwei Stunden – dennoch hatten alle Beteiligten nach der Veranstaltung das Gefühl, dass ihre Geschichten noch längst nicht zu Ende erzählt worden waren. Ermutigt durch das große öffentliche Interesse und das positive Feedback war schnell die Entscheidung gereift: Dem Erzähldrang soll nachgegangen, ein vielstimmiges Buch soll geschrieben werden. Sein Arbeitstitel lautet im Moment „Bosnien in Berlin“.

[Literatur] „Fang den Hasen“ von Lana Bastašić

Neben den unterschiedlichen Topoi Bosnien und Europa sowie der Reise zwischen beiden -- sowohl geographisch, als auch autobiographisch -- ist das Backend des Buches von großer Tiefe. "Fang den Hasen" kann auch als Jagd nach einer Beziehung und einer Freundschaft zwischen zwei Frauen gedeutet werden, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Eigentlich scheinen beide sich permanent misszuverstehen, wobei Lejla über Sara dominiert und vieles in der Beziehung unausgesprochen bleibt. Bis Wien traut sich Sara nicht, nach Armin zu fragen, weil es jenen Zwischenfall gegeben hat, als Sara ihn quasi nebenbei für tot erklärt hat. Doch Armin ist für Lejla nicht tot: er ist verschwunden. Damit behandelt das Buch, wenn auch subtil, das Thema der Verschwundenen des letzten Krieges, und die Schwierigkeiten, mit denen Angehörige leben müssen, die nicht wissen, was mit ihren Verwandten und Freund*innen passiert ist.

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