Josip Broz Tito ist am 4. Mai 1980 gestorben -- vor sage und schreibe 42 Jahren. Er ist zwar schon wenige Monate nach meiner Geburt gestorben, aber sein Konterfrei kannte ich trotzdem schon als Kind: es hing gerahmt an der Wand im Schlafzimmer des kleinen Hauses der Baba Verka in Bosnien. Und es wird schätzungsweise an fast allen vergleichbaren Wänden Jugoslawiens (oder Bosniens) gehangen haben. Sofern mein Gedächtnis verlässliche Aussagen über mein Mini-Me machen kann, war ich immer froh, dass bei uns zu Hause kein großes, gerahmtes Bild eines verstorbenen Politikers an der Wand hing. Und auch nicht an allen anderen Wänden meiner Umgebung. Wer die Türkei kennt, findet einen durchaus vergleichbaren, ikonographischen Wiedergänger in Atatürk, der sich dort vielleicht "noch überaller" an Wänden, in den kleinsten Tekels (Spätis), auf öffentlichen Plätzen, als übergroßes Plakat, als Unterschrift auf Autoheckscheiben und wo-nicht-sonst-noch findet (oder fand). Tito ist mir aber übrigens auch in der Türkei immer wieder als Konterfrei und Lobtext begegnet: wie im hier abgebildeten Give-away-Kühlschrankmagneten einer nicht mehr existierenden Publikation aus dem Milieu ausgewanderter Bosniak:innen in Istanbul. Es ist nur ein Beispiel. Dort (unter Bosniak:innen Istanbuls) werden zwar die Verhältnisse in Jugoslawien nicht als "ideal" erinnert -- denn sonst wäre man ja nicht aus dem Sandžak ausgewandert -- aber Tito wird zumeist in hohen Ehren gehalten. Genau wie Atatürk, dessen Konterfei sich mit Sicherheit in derselben Publikation finden wird.
[Bosnia] Symposion der Südosteuropa-Gesellschaft: Jugend als Fiktion und Wirklichkeit
Am 25. Februar 2022 hatten Emina Haye und ich die Gelegenheit, unser Blog- und Buchprojekt Bosnien in Berlin (BiB) auf einem Symposium der jährlichen Sitzung des wissenschaftlichen Beirats der Südosteuropa-Gesellschaft (SOG) in Berlin vorzustellen. Die SOG (mit Sitz in München) ist eines der Flaggschiffe auf dem Gebiet der politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und wissenschaftlichen Beratung und... Continue Reading →
[Öffentliche Meinungen] „Gezi ist jetzt acht“ (I): Istanbul zwischen Farbenfreude und Ergrauen
Vor ein paar Tagen kursierte in den Online Social Media die Botschaft "Gezi ist acht Jahre alt" (Gezi 8 yaşında) -- als handle es sich bei den türkischen Protesten vom Spätfrühling und Sommer 2013 um ein kleines Kind, das allmählich heranwächst. Ein geschlagenes Kind, muss man jedoch dazu sagen: wie wahrscheinlich noch die meisten Türkei... Continue Reading →
[Klima] Der CSU-Mann als Baumfreund: ein Essay in Bild- und Habitusbeschreibung
Wenn der weite und über weite Strecken unbelehrbahre Verlauf der Beziehung zwischen konformistischen CSU-Männern und Bäumen nicht tragisch wäre, dann könnte man eine aktuelle Headline mitsamt Teaser und Bild von Markus Söder im Spiegel (Spiegel 19/2021 vom 8.5.2021) auch als schalkhafte Posse verstehen: da präsentiert sich ein CSU-Mann doch tatsächlich als Baumfreund. Ich sehe darin... Continue Reading →
[Klima] „Cemre havaya düştü“: über die Aussagekraft einer anatolisch-balkanischen Bauernregel während des Hochklimawandels
Was am 19. Februar 2021 mit dem Wetter in Deutschland geschehen ist, halte ich für absolut bemerkenswert. Andererseits war dieser naturräumliche Vorgang offensichtlich auch sehr schwer in (deutsche) Worte zu fassen: dies zeigt allein ein Blick auf die Tagespresse, wo immer wieder das völlig unangemessene, stereotypische Understatement eines Hauchs von Frühling bemüht worden ist.1 Es... Continue Reading →
[Francorum] Gerichtslinden, ritualisierter Frauenmord und Obsession mit der Vergangenheit
Seit ungefähr März oder April beschäftige ich mich im Heine-Projekt mit eigentlichen (d.h. dinglichen, natürlichen) und uneigentlichen (d.h. literarischen, metaphorischen) Bäumen und Pflanzen. Ich werde noch einmal in Heines anderen Schriften genauer nachlesen müssen, denn es kann gut sein, dass mir diese Bäume dort entgangen sind. Doch was Die Romantische Schule angeht, bin ich mir... Continue Reading →
[Heine-Projekt] 4 Biographische Hintergründe
Heinrich Heine wurde 1797 als Harry Heine in eine jüdische Familie von Tuchhändlern aus Düsseldorf geboren, wo er im Geist der jüdischen Aufklärung aufwuchs. Seine Familie war wohlhabend, sodass ihn sein Hamburger Onkel Salomon, der ein Bankier war, zeitlebens auch in klammen Phasen unterstützen konnte. Zuerst besuchte Heine für kurze Zeit eine israelitische Privatschule, wechselte... Continue Reading →
[Heine-Projekt] 1-3 Einleitung: eine Metaphernanalyse
Für Sare, die weiß, weshalb. Vorbemerkung (eingefügt am 28.7.2020): ich nehme hin und wieder einige kleinere Veränderungen in diesem Text vor, weil hier nur Teil 1, 2 und 3 von insgesamt 9 Kapiteln zu lesen sind. Beim Schreiben der restlichen Kapitel ändert sich immer wieder etwas, weil der Text ursprünglich sehr viel kürzer war und... Continue Reading →
[Öffentliche Meinungen] Demagogie im Serbien (1980-1990er Jahre)
Mythenanalyse und religiös verbrämte Tropen Die Ordnung meiner geplanten Beitragsserie über Antisemitismus, Sorosphobie und Neo-Re-Bewegungen gerät etwas ausführlicher und anders als ursprünglich geplant. Um mich der Frage anzunähern, wie und wieso Antisemitismus und Sorosphobie in Neo-Re-Bewegungen so „gut“ funktionieren, und warum es, auch nach den unsäglichen Verbrechen der Nazis, immer noch möglich ist, mit antijüdischen... Continue Reading →
[Sprache] Hedges, Hedging oder Verheckungsstrategien am Beispiel fachsprachlicher Texte
"Fachsprache beansprucht für sich nach einer weitverbreiteten Auffassung die Eigenschaft, im Gegensatz zur „Gemeinsprache“ besonders exakt, objektiv und frei von emotionalen Ausdrücken zu sein. Hedges hingegen bringen gerade das zum Ausdruck, was nicht punktgenau festgelegt werden kann oder Schattierungen als Abweichung eines bestimmten Standardwertes beschreibt. Durch Hedges können jene Abweichungen, aber auch Distanz der Textproduzentin... Continue Reading →
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