[Feld] Die Texte der Anderen und die Angst vor Unordnung

Der Fastenmodus macht das Denken viel klarer, bewirkt aber auch das zusätzliche Gefühl, einfach sitzen bleiben zu können. Vorgestern abend zum Beispiel war ich mit Sare bei einer Performance im riesigen, erschütterlichen Berliner Kraftwerk. Das Stück hieß Kırkpınar, und wir saßen auf dem Boden, im Kreis um ein (eckigen) Ring, in dem geringt werden sollte. Es gab ein paar Szenen, in denen die beiden Performancekünstler durch das im Kreis sitzende Publikum krabbelten, liefen oder schleppten. Wenn sie vorbei kamen, standen die Leute auf. Ich blieb sitzen. Es würde mich doch ganz bestimmt niemand beißen, gar in den Ring zerren, oder mit einer der herbeigetragenen Eisenstangen erschlagen. Es ist mir auch kein bisschen rätselhaft, wieso Menschen für vierzig Tage in die Wüste gehen, um zu fasten. Gebt mir ein Wüste, da bin ich. Ich ließe dann sogar den Kaffee weg. So etwas tut man eben, wenn man fastet und klar denkt. Ich muss dann nicht darüber nachdenken, was ich als nächstes in mich hineinstopfe: ich frage mich eher: bin ich eigentlich leer genug? Es ist nicht grausam, nichts zu essen. Es ist viel grausamer, in eigenen Maßen klar denken zu müssen. Noch grausamer als der unaufgeräumte Schalenkoffer mit den Sommerklamotten ist mein unaufgeräumter Text, der mich stark beunruhigt. Horror perturbationis. Darin geht es um morbide Sommerwiesen, auf denen alle Insekten schon tot sind -- denn es ist ein wahrer Text.

[Pandemos] Garnichts (Flucht in den Grunewald)

Leichter Schlaf, frühmorgendliches Wach -- dann wieder umdrehen. Den Wecker nicht respektieren: du bist nur ein Handy, dich drück' ich weg. Forcierte Wachträume: ich fahre durch ein Parkhaus für Spielzeugautos, alles auf Plastik, das könnte jetzt endlos so weitergehen. Bis das Kissen zu Stein wird. Ein plagendes Gewissen: dieses nicht gemacht, jenes nicht gemacht - aber alles gemacht haben wollen. Überhaupt, wollen: wo ein Wille, da ein Weg / wo kein Herr, da die Wege verschlungen. Bequem, daran zu denken, dass es ganz weit da draußen eine Whirlpoolgalaxie gibt: Spiralgalaxien, schwarze Löcher -- um die sich vielleicht nicht alles dreht, die aber alles in sich ziehen. Wo ganze Sonnen zu Garnichts werden. Das Wetter graut, das Wetter komplementiert, und ich glaube nicht, dass der strahlend blaue Himmel der vergangenen Tage etwas wesentlich geändert hätte, hinter meinem schweren, roten Vorhang aus Kargradsamt. Ich denke manchmal daran, wie E. früher immer gesagt hat "ich friere mich" anstatt "ich friere"; "meine Öhren" anstatt "meine Ohren", und wie E. gefragt hat "Stehst du nicht?" anstatt "Stehst du nicht auf?" Ich stehe also auf, und es besteht wieder Aussicht auf Kaffee, der zuerst schwer und alt durch seine Bialetti röchelt. Der riecht, der treibt erst in den Tag hinein. Wird es wieder ein Tag, an dem sich quasi gar nichts schafft? Von diesem gar nichts ist jener Anteil von Garnichts schon entfernt, der zwar gar nicht Garnichts ist -- der aber so erscheint, weil ihn dir niemand anrechnet. Ich ahne freilich, dass es auf genau jenes Garnichts schwer ankommen könnte -- kann und will aber wiederum gar nichts genaueres sagen. "Das möchte ich nicht", sagt eine rheinische Kunstfigur, sitzt in ihrem Bett und trinkt Kaffee. Da schwinge ich mich aufs Rad, doch da sind überall Menschen, die auch nicht wissen, wohin sie mit sich sollen. Hat kein Club, hat kein Bar -- hat aber auch kein Hemmung, hat kein Halten mehr. So quellen sie in die Klimaparks. Sie tun mir zwar beide leid, die Klimaparks, die Klimaleute: sie sind mir aber auch beide viel zu viel. Dazu das drohende, kommende Garnichts. Ich entfliehe ihm wenigstens vorher recht erfolgreich, für viereinhalb Stunden: es ist die Flucht in den Grunewald. Dort herscht ein anderes Klima, dort baden sie an, dort ist echter Wald, dort waldbaden sie.

[Foto] Endlich Schnee (Berlin’e kış geldi)

Bu karlı kışlı fotoğraflar Berlin'dendir -- fakat Berlin'lilere değil, Berlin'de olmayanlara, Berlin'e gelsinlere ekledim. Baştan üzere Cemal için. Cüneyt, Funda, Zeyno, Nehir'e bir "gelin!" çağrısı olarak paylaşıyorum. Ne olursa olsun gelin, bir gün. Gezdiririm sizi -- o gün. Gözlerim açık.

[Migration] Refugees and the public opinion

On Tuesday, 3. March 2020, thousands of demonstrators gathered in Berlin under the motto "Open the borders! Save lives! Fight fascism!"1 Obviously, the demonstration was a spontaneous and direct response to the developments at the Turkish-Greek border, and especially on the Aegean islands of Lesbos and Chios. There, refugees live in slum-like camps (Moria, e.g.).... Continue Reading →

[Geschichte] Renommiergeld, Gedenkstätten und die Lage der Geisterjäger unserer Gesellschaft

Dieser Beitrag ist ein Kommentar zum offenen Brief „Große Bedeutung – schlechte Bedingungen: Mitarbeiter*innen von Gedenkstätten fordern faire Entlohnung, soziale Absicherung und mehr Mitbestimmung“. Obwohl ich selbst kein Gedenkstättenmitarbeiter bin, habe ich diesen offenen Brief unterschrieben. Ich finde besonders den Titel „Geschichte wird gemacht“ sehr treffend. Da ich selbst auch Historiker bin, folglich gewissermaßen „Geschichte... Continue Reading →

[Yorum] [Berlin] Rasches Gedicht: Gedankenflughafen, Gedenkflughafen

Kalkış - Varış: Abflug - Ankunft: Zuerst Gedankenflughafen, dann Gedenkflughafen:Gedenkflughafen Yeşilköy (Atatürk). Die 'traveling tropes': Zur Orientalin geschminkte Deutsche,Aubergine Strähnen auf schwarz gefärbtem Grund,Seidenhalstuch, Kupferarmreifen, "Teint";Vom Teppichrau dunkel gegrindete Stirnen,Arabische Männer in Hedschas-Wear,Sarigewandete Inderinnen beim Flughafenpicknick.Der Transkontinentalscheitel der Reise ist erreicht.Greinende Kinder zürnen ihrer Anne;Rucksackamerikaner im Sportstudio-Body,Frage aus dem Off: "Will there be water?"Sich für... Continue Reading →

[Yorum] [Berlin] BVG-Streik, istanbuleske Verkehrsverhältnisse und ein Dialog mit der Nazi-Ampel

Dreivier Sätze zum BVG-Streik, zur Nazi-Ampel am Columbiadamm, zu den istanbulesken Verkehrsverhältnissen am heutigen Tag. Ich beginne an der „Nazi-Ampel“, weil mir diese Gedanken heute dort anfingen, zur Stirn zu steigen; um sich über einen unmotorisierten Ausritt in den Tiergarten schließlich zu einem Pamphlet-Entwurf zu versteigen, dessen Hintergrundgedanken auch irgendwo, viel weiter unten in diesen... Continue Reading →

Website bereitgestellt von WordPress.com.

Nach oben ↑