[Francorum] Homo homini lupus: zwei Canis-Metaphern

Canis lupus und Canis lupus familiaris lauten die lateinischen Bezeichnungen für den Wolf und für den Haushund. Beide Formen von Canis gelten zoologisch als eine Art, obwohl doch zwischen beiden erhebliche Unterschiede bestehen, sodass sie in der vorherrschenden Wahrnehmung nicht als dieselben gelten. Während der Wolf (canis lupus) dem Menschen als sein „Anderes“ galt (und gilt), wird der Haushund (canis lupus familiaris), der doch im Ursprung ein Wolf war (oder ist?) als der Menschen treuester Begleiter wahrgenommen. Hierzu habe ich eine sonntagabendliche Fotocollage aus zwei „hündischen“ Canis-Metaphern gebildet, je ergänzt um ein, zwei Gedanken.

Canis lupus, im Corona-April ’21 durch das Francorum streifend.

Erstens, der Wolf (canis lupus) ist bekanntlich zurück. Hinsichtlich der „neuen“, einsamen oder auch bereits rudelbildenden Wölfe muss man sich vor Augen halten, dass die letzten Wölfe auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts ausgerottet worden sind: zu einer Zeit also, da das Wort der „Holznot“ in aller Munde war. Die Romantiker jener Zeit konnten gar nicht schnell genug zurück ins Mittelalter und die katholische Kirche; Sandsteinzinnen mit Nebelschwaden oder Strände mit roten Sonnenuntergängen wurden gemalt, das geistige Deutschland überhaupt strebte in die (Neo-)Gotik. Was heute der BER, das war damals der Kölner Dom, so könnte man vielleicht eine Analogie zu den Neo-Re-Bewegungen der Gegenwart herstellen (OK, der Vergleich hinkt ein bisschen). Der Wolf auf dem Bild streift durch das #Francorum, direkt vorbei an meinem Heimatdorf. Über die sozialen Netzwerke ist er auf lokaler Ebene inzwischen so etwas wie ein gehasster, gefürchteter und auch willkommener Superstar — je nach Präferenz. Ich weiß nicht, von wem das Bild aufgenommen wurde, es zirkuliert jedenfalls unkontrolliert durch die OSN. Was vielleicht heute weniger bekannt ist, ist die Tatsache, dass das deutsche Wort der Nachhaltigkeit (sowie das englische Derivat der sustainability) ebenfalls aus der Zeit der Ausrottung des Wolfes stammt, aus der Holznot geboren: die Menschen hatten erkannt, dass der Wald zu erhalten war. Nicht bedacht wurde dabei der Wolf, der nur mehr in den Grimmschen Märchen fortlebte.

Die zweite Hundemetapher, die ich dem zweiten Bild entnehme, geht auf die Hundemarken zurück, die von Canis lupus familiaris in Berlin gesetzt werden, hier in der #Hermannova. Ich habe das Bild aufgenommen, weil es gut zum Titel eines noch ausstehenden Essays passt, der The Berlin Territorial Pissings lautet. Die Quelle für diesen Essay speist sich zu etwa gleichen Teilen einerseits aus einem Songtitel von Nirvana (territorial pissings), andererseits aus Pierre Bourdieus Der Staatsadel, sowie drittens aus persönlichem Ressentiment und Klassenverrat. Die Missgunst, die sich Menschen entgegen bringen, die doch derselben „Art“ angehören, spiegelt sich schon in der lateinischen Phrase Homo homini lupus [est]: Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf.

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