[Öffentliche Diplomatie] Der illiberale Rahmen für Gemeindepolitik in der Türkei (Teil 4/8)

Die Türkei ist ein zentralisierter Staat mit strengen vertikalen Hierarchien, die auf der ersten Verfassung von 1982 aufbauen, nachdem in Folge des Militärputsches von 1980 der politische Prozess des Landes zwei Jahre weitgehend eingefroren worden war. Die institutionellen Strukturen der letzten vier Jahrzehnte tragen die erkennbaren Spuren der Militärjunta -- und in der Tat, wie Ayşe Gül Altınay in ihrem bahnbrechenden Buch The Myth of the Military Nation (Altınay 2004) nachgezeichnet hatte, reichen die starken militaristischen Vermächtnisse in der Türkei bis in die späte osmanische Zeit, in die preußisch-osmanische Zusammenarbeit und die Anfänge der Republik zurück. Besonders aus Sicht vieler türkischer Perspektiven führte das lang anhaltende Intermezzo erfolgloser Versuche der Annäherung an den sogenannten Acquis Communautaire der EU, die in den 1990er Jahren an Fahrt aufnahmen, zu weit verbreiteter Frustration und Enttäuschung. Das türkische Anliegen einer Vollmitgliedschaft in der EU wurde wiederholt (und aus unterschiedlichen Gründen) zurückgewiesen. Dabei spielen der stockende Demokratisierungsprozess, die anhaltenden Verletzungen der Menschenrechte, der ungelöste Konflikt mit dem EU-Staat Zypern -- und nicht zuletzt der Kurdenkonflikt und die Leugnung des Völkermords an den Armeniern eine große Rolle. Darüber hinaus spielten auf der Bühne der öffentlichen Meinungen jedoch immer wieder auch Fragen der Identität, (Nicht-)Zugehörigkeit und Ausgrenzung eine Rolle, ob auf europäischer oder türkischer Seite -- wenn etwa die Europäizität der Türkei ganz in Frage gestellt wurde, oder türkische Politiker die EU als christlichen Club bezeichneten (Terzi 2012; "Die Türkei und die EU 2018"). Der lange Schatten all dieser Konflikte schwingt in der hierarchischen Verflechtung der territorial-administrativen Strukturen der Türkei mit -- und auch in der Art und Weise, wie die Beziehungen zu den Gemeinden auf dem Balkan hergestellt werden.

[Public Diplomacy] The illiberal framework for Turkish municipalities‘ scope of action abroad (Part 4/8)

The long shadow of all these conflicts resonates in the hierarchical interrelationship of Turkey's territorial-administrative structures – and also in the way how relations are established to municipalities in the Balkans. In this regard, one territorial-administrative feature of Turkey is crucial: the institution of the district governorate (kaymakamlık) and/or the governorate (valilik), whose main administrator, the governor, is called kaymakam or vali. The vali is widely regarded as the state’s extended arm into the city – and in fact, it can be seen as a parallel administration to the elected mayors' offices. The vali is directly bound to the centralized government in Ankara, and as such, it can bypass the electoral process, especially the local elections (Mahallî İdareler Genel Seçimleri). In this way, many local governments and municipal leaders who had been elected in the 2019 local elections were, in the meantime, forcibly dismissed and replaced by governors (vali / kaymakam).

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