[Foto] Der Supervollmond in Corona Zwanzig-Zwanzig

Kanntet Ihr das Wort Perigäum? Ich habe es in diesem Corona-Frühjahr zum ersten Mal gelesen: es bezeichnet den erdnächsten Punkt eines Himmelskörpers, der die Erde umkreist – wie den unseres Mondes. Wie wahrscheinlich selbst den meisten Laien (wie meinereinem) bekannt ist, kreisen Planeten, Kometen und Satelliten zwar in einer mehr oder weniger festen Umlaufbahn um ihren Bezugspunkt; diese Bahnen verlaufen jedoch nie ganz kreisförmig, sondern eher elliptisch: daher gibt es überhaupt einen erdnächsten Punkt. Das Gegenteil des Perigäums ist das Apogäum: der erdfernste Punkt.

Der Mond, ob Vollmond oder Sichelmond, ist ja an und für sich schon ein ziemlich faszinierender Anblick – sofern er natürlich zu sehen ist. Es gibt aber Momente, da erscheint er sehr viel größer, kupferner, näher oder schärfer. Und manchmal erscheint er nicht nur näher, sondern er ist es auch – bei Supervollmond, wenn er im Perigäum steht. Das war in diesem Coronafrühjahr zum Beispiel am 7. April der Fall, wie keinem Radiohörer entgangen sein kann (und ich höre täglich Radio).

Wie meinen Leserinnen wahrscheinlich klar ist, habe ich mich im Coronafrühjahr in der Rhön aufgehalten, wo ich viel Zeit (täglich stundenlang) mit meiner Begleitung, dem Minihund, im Wald verbracht habe. Oft bin ich erst ziemlich spät, nach dem Schreiben, losgegangen, sodass ich erst bei Einbruch der Dunkelheit oder später wieder zu Hause war. Dabei habe ich das erste der unten stehenden Bilder fotografiert, an dem mir erst beim Betrachten auf dem Computer aufgefallen ist, wie symbolträchtig es ist.

Es zeigt links oben den Supervollmond, da war es schon kurz nach 21 Uhr, nach dem täglichen Coronaläuten. Ich habe an diesem Abend des 7.4.2020 extrem viel Zeit vertrödelt, weil ich dazwischen immer wieder fotografiert habe – was den Minihund übrigens ziemlich genervt hat; er duldet es nämlich nur sehr leidlich, wenn ich stehen bleibe und wir nicht weiter gehen. Der Minihund würde schließlich am liebsten sein Lebtag nur gehen, gehen, gehen, fressen, schlafen und gehen, gehen,…

Doch was ist an dem Bild so symbolträchtig? Nun, zum einen ist es so belichtet, dass sowohl der Supervollmond als auch die Straßenlaterne (rechts unten) von einer Lichtcorona umgeben sind (Corona, ich hör dir trapsen). Beide stehen zueinander auf einer diagonalen Linie, die durch den Kirchturm geht – genauer gesagt durch die untere Zwiebelkuppel des Haubenturms. Dass es sich um eine katholische Kirche handelt, kann man daran erkennen (wenn auch unscharf), dass ein Hahn auf der Spitze sitzt: in konfessionell gemischten Gebieten wie Franken unterscheiden sich katholische Kirchen von den evangelischen Kirchengebäuden bereits von weitem erkenntlich durch den Hahn auf der Kirchturmspitze. Dieser Hahn ist übrigens kein Wetterhahn, wie die kirchliche Seite Kirchenbote Wochenzeitung für das Bistum Osnabrück Auskunft gibt:

„Neben dem Kreuz ist oft der Hahn auf die Turmspitze aufgesetzt. Er ist zum einen ein altes Symbol für Wachsamkeit, das schon Jesus im Markusevangelium erwähnt: „Seid also wachsam! Denn ihr wisst nicht, wann der Hausherr kommt, ob am Abend oder um Mitternacht, ob beim Hahnenschrei oder erst am Morgen“. Zum andern ist der Hahn Symbol für Christus: Mit dem Schrei des Hahnes endet die Nacht, mit Christus endet die Nacht der Sünde und des Todes; der Hahn kündigt das Licht des neuen Tages an und weckt die Menschen aus dem Schlaf, Christus erweckt zum ewigen Licht und zum ewigen Leben. Außerdem warnt der Hahn vor Glaubensverrat und mahnt zu Umkehr: „Noch bevor der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen“, sagt Jesus zu Petrus.“  

Was bedeuten Kreuz und Hahn auf Kirchtürmen?, in: Kirchenbote (Link)

Kirchtürme, deren Bauweise als „Haube“ bezeichnet wird, sind für Franken nicht ganz ungewöhnlich, auch wenn hier auf dem Land überwiegend spitze Kirchturmdächer überwiegen: in meinem Herkunftsort Friesenhausen gibt es zum Beispiel zwei Kirchtürme, wovon der eine (der evangelischen Kirche) spitz ist, der andere dagegen eine Haubenform hat. Ungewöhnlich ist an diesem Kirchturm auf dem Bild, der in Bad Brückenau direkt an der Grenze zu Hessen steht, die ausgeprägte Zwiebelform, die eher typisch für Bayern (z.B. Oberbayern) ist. Und es gibt in dem Ort gleich zwei „bayerisch“ aussehende Zwiebeltürme, wobei der zweite im drei Kilometer entfernten Ortsteil Staatsbad Brückenau steht. Dabei mag die ausgesprochene Präsenz von Bayern aus dem südlichen Teil des früheren Königreichs Bayern eine Rolle gespielt haben, denn das Staatsbad Brückenau steht ganz im Zeichen des Bayernkönigs Ludwig I. (1786-1868), nachdem der Ort 1816 an Bayern geraten war.

Blickt man von der Kuppel aufwärts zur Spitze, sieht man, dass der golden glänzende Hahn auf einer ebenso golden glänzenden Kugel sitzt (wahrscheinlich Kupferblech). Diese Kugeln werden Turmkugeln oder Turmknöpfe genannt. Als Kind hat man mir erzählt, dass darin Baupläne und andere wichtige Dokumente aufbewahrt werden, was tatsächlich meistens so gewesen zu sein scheint, wie Wikipedia weiß. Doch im Gesamtgefüge des Bildes wirkt die Kugel wie eine Nachbildung des Supervollmondes, was kein abwägiger Vergleich ist: es heißt von Kirchtürmen auch, sie seien die „Zeigefinger Gottes“, und diese Zeigefinger sind gen Himmel gerichtet – wo der Mond steht.

Bekanntlich ist der Mond nicht nur (und gar nicht hauptsächlich) ein Symbol des Christentums, sondern besonders eines des Islams – dort allerdings als Sichelmond (und nicht Halbmond, wie fälschlicherweise meistens geschrieben wird). In Gebieten, wo beide Religionsgemeinschaften oft in Konflikt geraten sind, wie auf dem Balkan und bei vielen orthodoxen Christen, finden sich sogar der islamische Sichelmond und das Kreuz gemeinsam auf dem Kirchturm, wobei das Kreuz im Sichelmond steht und den eigenen Sieg symbolisiert (das habe ich zum Beispiel in der Fruška Gora in der Vojvodina gesehen).

Ob Hahn, Mond oder andere symbolische Formen, man denke nur z.B. an die Zimtschnecke: die Menschen nehmen immer schon Anleihen bei dem, was ihnen die Natur von sich aus zeigt – und konstruieren über diese Symbole komplexeren Sinn.

Sinnvoll finden es auch viele Menschen, sich bei Vollmond an Orten zu treffen, wo sie den schönen Anblick genießen können. Das war in der Coronazeit natürlich etwas anders, gerade weil am 7. April der Lockdown in seiner striktesten Form vorherrschte. Aber der Minihund und ich waren nicht ganz die einzigen, die sich im Lockdown in die Rhönwälder getraut haben: unterwegs haben wir Jugendliche überrascht, die sich in einer Blockhütte im Wald (einem Unterstand für Wanderer) heimlich trafen, lachten, sich unterhielten, dabei vermutlich tranken. Als sie mich und den Minihund bemerkten, unterbrachen sie ihr Gespräch, das von einem merkwürdigen Schweigen zwischen uns abgelöst wurde – ohne, dass wir uns gegenseitig sehen konnten. Eine unvergessliche, höchst eigenartige Atmosphäre war das, an Supervollmond im Coronafrühjahr 2020, im Wald, mit dem Minihund.

Das symboolträchtige Bild des Bad Brückenauer Kirchturms beim Supervollmond im Coronafrühjar 2020 am 7. April 2020
Ein Sichelmond im Oktober 2018, fotografiert vom Tempelhofer Feld nach Süden.
Supervollmond hinter Geäst am 7.4.2020 über der Rhön.
Supervollmond kurz nach Aufgang am 7.4.2020 bei Volkers, fotografiert in Richtung Nordwesten.
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