[Religion] Astarte, Ostern, Freud und der Vaterkult

Da ich realisiert habe, dass Facebook ein schädliches und unnützes Tool ist, wenn es um etwas anderes gehen soll, als die Produktion „öffentlicher Meinungen“ zu beobachten oder herauszufordern, und dass es in keinster Weise — auch nicht unter in aller Form gebildeten und/oder „liberalen“ Menschen — dazu taugt, ernsthafte Diskussionen oder Kritik der eigenen öffentlichen Meinung zuzulassen, habe ich beschlossen, dies in Zukunft auch nicht mehr zu tun. Also: sich auf Diskussionen einzulassen, die unweigerlich ins Nichts führen; die nie haben Diskussionen sein, sondern stereotypische öffentliche Meinungen produzieren wollen. Was einem nämlich blüht, wenn man sich auf Diskussionen einlässt, ist zwangsläufig und in stereotypischem Muster immer dasselbe: entweder, man hat das „Glück“, in das jeweilige Meinungs-Camp der binären stereotypen Ordnung zu passsen, und erntet folglich „Herzchen“, „Likes“ und dergleichen. Oder man passt nicht in diese Logik — und was die Binarität dann tut, ist ebenso immer das gleiche, gewissermaßen so gewiss „wie das Amen nach dem Vaterunser“, woran dieser Beitrag noch anschließt.

Die Binarität ordnet zu und versteht, wie sie verstehen will, weil sie nur auf zweifache Weise verstehen kann. Dritte Positionen sind nicht vorgesehen; sie sind, abgesehen davon, ein Angriff auf die Logik der Binarität selbst, und deswegen werden sie als störend empfunden; die Logik der Binarität muss immer mit Ost-West-Schemata kommen, mit oben-unten, männlich-weiblich und so fort. Statt also über Facebook sinnlos die Logik der Binarität in ihrer regelhaften Funktionsweise der Produktion öffentlicher Meinungen im Zeitalter des Neo-Re vorzuführen, will ich künftig stärker nach anderen Austauschplattformen Ausschau halten, und auch kürzere Statements und Gedanken lieber auf dem Blog veröffentlichen, wo sie übrigens auch diskutiert werden können. Hierfür sollte ich aber wahrscheinlich die gesamte Oberfläche des Blogs ändern, sobald Zeit dafür ist.

Aber dies nur einleitend.

Worum es eigentlich gehen soll, ist der Gedanke aus dem Titel der Überschrift. Dieser leitet sich aus einem Freud-Zitat ab, das ich heute in einem türkischen Zeitungsartikel gefunden habe, als ich dabei war, eine verbreitete (Freud’sche) Totemismus-Tabu-These zum Atatürk-Kult in der Türkei zu recherchieren bzw. zu überprüfen; dieser ist zwar inzwischen in weiten Teilen der Öffentlichkeit erkaltet, aber übergegangen in einen neuen Führerkult, weshalb die strukturellen Kontinuitäten von besonderem Interesse für mich sind. Etwas ausführlicher copy-verpastet lautet das Freud-Zitat in einem Mini-Kontext so (Übersetzung folg; nur der Teil in Anführungszeichen ist das nicht überprüfte Freud-Zitat):

Tanrı doğmuş. “Temelde,” diye bağlar Freud, “Tanrı yüceltilmiş bir babadan başka bir şey değildir.” (Link)

(Rück-)übersetzt:

Gott wurde geboren. „Im Grunde,“ schließt Freud, „ist Gott nichts anderes als ein (üb)erhöhter Vater.“

Angesichts des Osterfestes hat sich mir freilich gleich der Gedanke aufgedrängt (der bei Freud sicherlich in irgendeiner Weise Beachtung findet und entsprechend nachzulesen wäre), dass Gott aber auch ein Sohn sein kann, der (üb)erhöht worden ist; in der christlichen Trinität jedenfalls bilden Vater, Sohn und Heiliger Geist eine Einheit, eine Identität; sie sind identisch. Kann es da Wunder nehmen, wenn sich un-identische Töchter und Mütter von diesem Gott-Vater-Totem-Tabu-Cluster abwenden? Keinesfalls, möchte man meinen. Muss es eine Tochter, eine Mutter nicht irritieren, dass ihnen in dieser und anderen Logiken des patrilinearen, monotheistischen und monogenetischen Prinzips die Rolle einer passiven, besessenen Scholle zukommt — die nicht überhöht wurde, die den Sohn ’nur‘ ausgetragen hat? Die Frage lautet daher auch: wieso wenden sich so viele Töchter, Mütter und Dritte (nennen wir sie queer) nicht vom patrilinearen, monotheistischen und monogenetischen Prinzip ab? Um es wörtlich zu nehmen: ich kann nicht für meine Schwester und Mutter sprechen, aber diese Frage richtet sich auch nicht an sie, da ich bei ihnen keinen übergroßen Vater-Gott-Kult feststellen kann. Ich frage diese Frage trotzdem als Zwillingsbruder, da es doch völlig absurd ist, in Gleichheit geborene Kinder zu hierarchisieren, wenn man das als „kulturelles“ Muster zu Ende denkt. Unter „kulturell“ ist hier das monogenetisch-monotheistische Prinzip zu verstehen, das allen (ursprünglich) zirkummediterranen/mittelöstlichen Patriarchaten zugrunde liegt. Ich muss wohl nicht extra anfügen, dass ich mich von diesem Prinzip längst verabschiedet habe, und auch nie ernsthaft davon überzeugt war.

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Zur Etymologie des Wortes „Ostern“ gibt es unterschiedliche Erklärungsansätze, und einer zeichnet eine nicht absurd erscheinende Verbindung bis zur mittelöstlichen Astarte nach. Als gesichert gilt die germanische Frühlingsgöttin Ostara als etymologische Quelle (die Parallele zur slawischen Vesna). Wie dem auch sei: Ostara ist keine Göttin, die heute in irgendweiner Form von Bedeutung wäre (außer vielleicht in neorechten, identitären, esoterischen und anderen Bewegungen, worum es mir jetzt aber nicht geht). Jedenfalls steht in der heutigen Bedeutung des Osterfestes ein Sohn im Mittelpunkt, und keine Tochter, keine Mutter, keine Schwester. Interessant finde ich in dieser Hinsicht einen taz-Artikel über ein neues Theaterstück am Berliner HAU (von Nuray Demir) unter der Überschrift Das Patriarchat ist nur eine Option. Wie Marie Serah Ebcinoglu schreibt, gehe es der Künstlerin um eine Inszenierung alter weiblicher Gottheiten, die nach ihrer Entthronung (im Falle Kalis nicht nur durch den Monotheismus) alles andere als ein ‚überhöhtes‘ Dasein in den Erinnerungen der Menschheit fristen:

Entgegen ihren eigentlichen kulturellen und religiösen Bedeutungen wurden Baubo, Kali, Isis, Inana und Co in späteren Übersetzungen ihrer Mythen sogar als „schamlose Huren“ oder „Schlampen“ bezeichnet, und nur selten sind sie Hauptdarsteller*innen ihrer eigenen Geschichte geworden. Viele weibliche Figuren der Mythologie wurden im Laufe der Zeit als Randfiguren männlicher Heldengeschichten abgestellt. (Link)

Ist das nicht auch im Fall einer Maria Magdalena so, einer Freundin Jesu Christi, welcher ein hurenhafter Ruf vorauseilt? Kommt hier nicht auch wieder dieselbe Grundstruktur zum Ausdruck? Jesus Christus wird meines Wissens nach, obwohl er interessanterweise als „endgültiges Geschöpf des Vaters“ unverheiratet und nicht-reproduktiv blieb (war er vielleicht schwul? – So hört man es hin und wieder fragen), immer als Mann kolportiert; nie als Frau, Trans, Inter, Queer. Und Jesus wird überhöht — Maria Magdalena dagegen nicht. Letztere ist schmutzig und sexuell; als Sünderin wusch sie Jesus die Füße. Nur die Mutter Jesu, unter der Bedingung ihrer Jungfräulichkeit, wird gewissermaßen ebenso überhöht, zumindest in den nicht-protestantischen Traditionen. Auch hier wird eine Parallele zu patriarchalen Traditionen deutlich: als Kind hat mir meine Mutter einmal erzählt, in Bosnien hätten die Mädchen und Frauen noch in den 1960er Jahren den Vätern (Männern, Patriarchen) die Füße waschen müssen. Ich wurde Jahrzehnte später selbst einmal bei einem Besuch im Kosovo (im Winter 2002/2003) Zeuge einer solchen Fußwaschung, als ich in einen Haushalt eingeladen war und die Schwiegertochter eine Blechschüssel mit Wasser zum Patriarchen trug, um ihm die Füße zu waschen. Den Gästen wurden die Hände gewaschen und getrocknet.

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