[Sprache] Mind the gap, please! Offene Fragen zum Thema Geschlecht und Phonetik in der Alltagssprache

Vor nicht allzu langer Zeit führte ich ein Gespräch mit zwei Freundinnen (fortan: „Sprecherinnen“) auf deutscher Sprache. In unserer längeren Diskussion haben beide Sprecherinnen während des Gesprächs das „Binnen-I“ bzw. den „Gender-Gap“ durch kurzes, gutturales Pausieren phonetisch deutlich und kenntlich gemacht. Um es im Plural zu halten, wo dieses Phänomen besonders wirkmächtig und auffällig ist, wurden [die Studentinnen und Studenten] als [die Student_innen] eben nicht nur vor dem inneren Auge als [Student_innen] geschrieben, sondern als [Student_innen] auch ausgesprochen. Dies kann freilich als konsequenter Schritt gesehen werden, die schriftliche Realisierung des Gender-Gaps auch sprechaktlich-phonetisch kenntlich zu machen und zu realisieren.

Klar: das kann „man“ so machen.

Mit „man“ wären wir aber eigentlich schon beim nächsten Problem, nämlich: [man]. Bevor ich die Diskussion jedoch über [man] einleite, muss ich sagen, dass mich die phonetische Kenntlichmachung des Gender-Gaps im Gesprächsfluss verwirrt — ja: als Pseudo-Lösung gestört und irritiert hat. Ich habe mein Unbehagen mit dieser „Lösung“ also angesprochen und versucht, zu problematisieren. Ich geriet darüber sogleich in einen ideologischen Offenlegungszwang, in welchem nur eine Lösung denkbar erschien — nämlich sich der beschriebenen Praxis anzuschließen. Ich war „in the doghouse“. Ich wurde, metaphorisch gesprochen, in eine unsensible Haltung verbellt — was doch mitnichten meine Absicht war. Ich wollte doch gar nicht „pro-binär“ argumentieren! Deshalb will ich (zur Sicherheit, gender-smiley) gleich vorweg schicken, was mir aus gegebenem Anlass ratsam erscheint, dass ich in der Frage, wie mit dem pervasiven generischen Maskulinum in der deutschen Sprache (und darüber hinaus auch in etlichen anderen Sprachen) umzugehen ist, durchaus sensibilisiert bin.

Es stimmt schließlich, dass es in der deutschen Sprache einen Überhang des männlichen grammatikalischen Geschlechts gibt. Dieser Überhang ist tatsächlich nicht nur quantitativ feststellbar, sondern generativ für unsere sprachliche Wirklichkeit im Sinne des wirkens wirksam und wirkmächtig. Wie im weiteren Verlauf der Erörterung noch zu sehen sein wird, gilt das allerdings längst nicht für alle Sprachen, wie ich am Beispiel der türkischen Sprache zeigen werde, was weitere komplizierte Fragen aufwirft.

Ich glaube nicht, dass eine strukturelle Lösung und ein Sprachwandel eingeleitet werden kann, indem nun alle Deutschsprecher_innen dazu übergehen, den Gender-Gap nicht nur in der (deutschen) Schriftsprache zu realisieren, sondern auch gleich mündlich kurz und vernehmbar („störend“) innezuhalten. Denn erstens besteht noch nicht einmal in der Schriftsprache im Sinne der grammatischen Konvention, die wir aus systemischen Gründen keineswegs ausblenden können, Konsens, was den Gender-Gap betrifft. Zweitens, und damit zusammenhängend, handelt es sich bei der Praxis, den Gender-Gap überhaupt wahrzunehmen, um einen Eliten- oder auch „gruppistischen“ oder meinetwegen „soziolektischen“ Diskurs, der als solcher nicht in der Lage ist, die Sprachgewohnheiten des Sprachsystems insgesamt umzustimmen. Damit ist das Problem an sich dennoch nicht aus der Welt geschafft, weshalb die Erörterung im Sinne der Prozessualität von Sprache mit mehreren Fragezeichen enden wird. Hinsichtlich der Propositionen der genannten Sprecherinnen wirft das zusätzlich das Problem auf, dass offenbar davon ausgegangen wird, dass eine neue Normativität oder sprachliche Norm-Hegemonie aufgebaut werden müsste, um den Gender-Gap umzusetzen.

[ Der Beitrag wird gerade überarbeitet und endet deshalb abrupt hier. Fortsetzung folgt. ]

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